Transzendentes

Träume und Wirklichkeiten

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Wir leben ja in einer aufgeklärten Welt. Es gibt keine großen Rätsel mehr. An die Stelle der Kirche, die uns früher alles erklären konnte, ist die „Wissenschaft“ getreten, die uns heute alles erklärt – zum Beispiel, warum es trotz globaler Erwärmung immer kälter wird. Wie früher sind wir Bürger gehalten zu glauben, was von „oben“ kommt und den Anweisungen Folge zu leisten.

Es fällt schwer, die Methode des Rationalismus in Frage zu stellen, zumal ich nur Aufgrund der Ergebnisse seiner Technik dies hier schreiben kann. Noch schwerer fällt es, die Kirche zu verteidigen, die als linker Arm des Adels für unglaublich viel Unheil verantwortlich ist. Als Philosoph weiß man jedoch, das man mit dem „Rationalismus“ auf einem sehr unsicheren Bein steht – er kann einerseits alles beweisen, jedoch muß nichts davon real sein. Darum kam ein Rene Descartes auf den weit bekannten Satz „Cogito ergo sum“: „Ich denke, also bin ich“.  Nichts anderes in dieser Welt ist sicher, außer das Element, was „denkt“.  Das „Ich“ hat halt das Problem, das es die Welt nur durch die Sinne wahrnehmen kann … und diese Sinne erweisen sich als sehr trügerisch und täuschen uns oft.

Andererseits ist der Rationalismus ein wichtiges Instrument: er hilft dem Menschen beim Überleben und kann sehr vor den Narreteien der Priester schützen, wenn sie nicht mehr ruhig vor sich hinbeten sondern sich zur Macht hingezogen fühlen und Opfer verlangen. Das Problem dieses Instrumentes ist nur: es ist äußerst begrenzt in der Beschreibung der Wirklichkeit jenseits der trügerischen sinnlichen Erfahrung.

Momentan befinden wir uns in einem Prozess, in dem eine oft erbärmlich willkürliche Mischung aus Rationalismus und Empirismus (welcher der sinnlichen Wahrnehmung deutlich mehr zutraut) versucht, Realität zu beschreiben. Das Prinzip ist anhand eines Beispiels einfach zu beschreiben: am Anfang steht die Grundentscheidung „die Welt ist rot“. Im nächsten Schritt ist der Rationalismus in seinem Element: seine Anhänger schwärmen aus, suchen „rot“ überall in der Welt (und werden auch sehr oft fündig), während sie wunderbar differenzierte Theorien über die Irrtümer der Wahrnehmung von „Gelb“ und „Blau“ entwickeln können, die sprachlich so abenteuerlich konstruiert sind, das ihnen der Bauer vom Feld nicht mehr folgen kann. Die Theorien zur Abgrenzung von störenden Wirklichkeiten reichen von „Verschwörung der Blauseher“ bis hin zu „Wahn der Gelbdeuter“ und „Geisteskrankheit“ und genetischer Veranlagung zur Blau- bzw. Gelbsucht (die ja nicht umsonst auch eine Krankheit ist).

Und das ist das Problem des Rationalismus – er kann alles beweisen … und gleichzeitg erkennen, das alle Beweise hinterfragbar sind. Ohne irgendeine Basis, auf der er steht, einen Grundsatz, den er ohne eine Beweis zu fordern annimmt (z.B. „Die Vorsehung hat uns der Führer geschickt“ – um mal ein Beispiel zu nennen das schrecklich schief gegangen ist) hat er keine Richtung – aber konnte höllische Realitäten auf Erden entfesseln, Explosivwirkungen, die die Grundfesten der Schöpfung selber erschüttern. Ein politische System, das diese Gewalten sicher im Zaum halten kann, hat er jedoch nicht entwickeln können.

Als Kapitalismus und Kommunismus ist der Materialismus durch die Neuzeit gefegt und hat uns eine sterbende Welt hinterlassen, in der der Mensch – zu Zeiten der Aufklärung noch „Krone der Schöpfung“ und alleiniger Herr seines Schicksals – sich auf einmal alternativlosen Sachzwängen ausgeliefert sieht, die alle auf der Grundannahme „Die Welt ist rot“ basieren. Es wundert nicht, das ein Ernst Jünger auf die Idee kommt, das der Mensch in einer Maschine lebt, die zu seiner Vernichtung erschaffen wurde – in den Schützengräben des ersten Weltkrieges haben viele das Vertrauen in die moderne aufgeklärte rationale Menschheit verloren … Giftgas und Aufklärung passen nicht zusammen, Giftgas und Rationalismus allerdings sehr gut.

Dabei … erlebt jeder Mensch die Welt anders. Jeden Tag. Jeden Tag legen wir unseren Körper ab, der fährt seine Funktionen herunter … und wir (also, das „denkende Ich“ des Descartes) bereisen eine Welt, die uns sehr intensive Erlebnisse beschert und uns – wenn es mal ganz schief läuft – den ganzen nächsten Tag versauen kann.

Die Welt des Traumes – um bei unserem Beispiel zu bleiben – ist blau. Menschen erleben sie jeden Tag – bzw. jede Nacht. Die „Rotdeuter“ können mit ihr nichts anfangen, außer sie … in den Bereich „Wahn“ und „Geisteskrankheit“ zu verschieben, womit alle Menschen für bekloppt erklärt werden, damit die Theorie stimmt – aber so ist er halt, der Rationalismus. Für Liebe hat er keinen Platz, ebensowenig wie für Träume.

Es ist in der Tat kläglich, was „moderne Wissenschaft“ zum Traum sagen kann – siehe Wikipedia:

Ein Traum ist eine psychische Aktivität während des Schlafes und wird als besondere Form des Erlebens im Schlaf charakterisiert, das häufig von lebhaften Bildern begleitet und mit intensiven Gefühlen verbunden ist, woran sich der Betroffene nach dem Erwachen meist nur teilweise erinnern kann.

„Leben“ ist eine psychische Aktivität während des Wachseins, das ebenso häufig von lebhaften Bildern begleitet und mit intensiven Gefühlen verbunden ist, woran sich der betoffene meist nach längerer Zeit nicht mehr erinnern kann.

„Traum“ ist – rein zeitlich gesehen – ein gewaltiger Anteil von alltäglicher „Wirklichkeit“, den wir nicht kontrollieren können, der aber enger mit uns selbst verbunden ist als sonst etwas auf dieser Welt: hier erlebt das „Ich“ eine alternative Realität, die sich allen Interpreationsversuchen entzieht (obwohl es genug „rote“ Theorien gibt) aber aufs Engste mit uns selbst (und somit der einzigen nicht mehr reduzierbaren Basis des Rationalismus) verknüpft ist – kein Wunder, das viele Kulturen dem Traum mehr „Wirklichkeit“ zugestehen als der durch das Gehirn beständig gefilterten sinnlichen Wahrnehmung der „realen“ Umwelt.

Die Welt des Traumes greift auch manchmal über in die alltägliche Welt – nicht nur dann, wenn Albträume uns die Nachtruhe rauben:

Bekannt sind auch kreative Anstöße, die aus nächtlichen Traumerlebnissen kommen [14]. Bekannt sind die Einflüsse in der Malerei (Surrealismus) und der Musik (z. B. Yesterday von den Beatles). Nicht eindeutig belegbar sind Beispiele aus der Wissenschaft. So soll August von Kekule von einer Schlange geträumt haben, die sich in den eigenen Schwanz beißt (Ouroboros). Damit fand er die Lösung für den ringförmigen Benzolaufbau. Auch sollen Dmitri Mendelejew (Periodensystem der Elemente) und Elias Howe (Nähmaschine) ihre Lösungen im Traum gefunden haben.

Ähnliches las ich auch schon von Nils Bohr und Albert Einstein – was einige Bedeutung hat für die Entwicklung rationaler Wahrheitstheorien hatte und zu der Vermutung führt, das „Erkenntnis“ sozusagen „einfällt“. Die Frage, wer da was fallen läßt und zu welchem Zwecke entzieht sich jedoch unserer Erkenntnis.

Die Traumtheorie, nachdem das nächtliche Theater nur Restwirkungen und Fehlinterpretationen elektronischer Impulse des Gehirns sind, erledigt sich schnell von selbst – die Traumwelt ist selten weniger geordnet als die Alltagsrealität … es fehlt die Beliebigkeit, die das willkürliche Zusammensetzen von sinnlosen Impulsen erzeugen müßte – Menschen mit drei Augen, Hasenohren und Eselsfüssen kommen selten vor. Plausibeler ist da die Vorstellung einer alternativen interaktionsfähigen Realität … die möglicherweise im Tode, dem „großen Bruder“ des Schlafes, unser Zuhause sein wird.  Jedenfalls gibt es keinen rationalen Grund (im Sinne des Rationalismus bei Descartes) etwas anderes anzunehmen, denn Träume können für das denkende Ich so real sein wie die Alltagsrealität – sie sind nur „viel näher dran“.

Es ist schon verblüffend, wie sehr dieser Teil des menschlichen Lebens aus seiner Weltsicht herausinterpretiert und völlig entwertet werden konnte obwohl er einen scheinbar unsinnig großen Teil unserer erlebbaren (nächtlichen) Wirklichkeit ausmacht und für manche Menschen tödlich endet – wie zum Beispiel für Franz Jägerstätter:

Im Jänner 1938 sah er in einem Traum einen Zug, in den immer mehr Menschen einstiegen, und hörte eine Stimme sagen: „Dieser Zug fährt in die Hölle“.[5] Er deutete diesen Traum als Warnung vor dem Nationalsozialismus, der mit seiner katholischen Weltanschauung unvereinbar sei.

Die negativen Erfahrungen beim Militär, das sogenannte Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten, von dem er um diese Zeit erfuhr, und die Verfolgung der Kirche durch die Nationalsozialisten[10] festigten seinen Entschluss, nicht wieder zum Militär einzurücken. Die folgenschwere Entscheidung Jägerstätters basierte nicht nur auf den zahlreichen Gesprächen und Briefen mit Freunden (hier v.a. mit R. Mayer) und Geistlichen, sondern auch auf der gründlichen Lektüre der Bibel, von zahlreichen Kleinschriften und Büchern.[11] Er erklärte öffentlich, dass er als gläubiger Katholik keinen Wehrdienst leisten dürfe, da es gegen sein religiöses Gewissen wäre, für den nationalsozialistischen Staat zu kämpfen. Seine Umgebung versuchte ihn umzustimmen und wies ihn auf die Verantwortung seiner Familie gegenüber hin, konnte aber seine Argumente nicht widerlegen. Er suchte sogar Josef Fließer, den Bischof von Linz auf; auch dieser riet ihm von einer Wehrdienstverweigerung ab. Seine Frau Franziska unterstützte ihn, obwohl sie sich der Konsequenzen bewusst war.

Franz Jägerstätter wurde am 9. August 1943 in das Zuchthaus Brandenburg an der Havel gebracht und dort um 16 Uhr durch das Fallbeil hingerichtet.

Die Urne mit seiner Asche wurde nach Kriegsende nach St. Radegund gebracht und dort am 9. August 1946 beigesetzt.

Von Franz Jägerstätter ist der Ausspruch überliefert: „Besser die Hände gefesselt als der Wille!“[14]

Und so führt uns das Thema „Traum“ direkt in die politische Wirklichkeit –  mit tödlichen Konsequenzen.

Was empfiehlt John Perkins in „Weltmacht ohne Skrupel“ als eine von vielen Handlungsoptionen im Kampf gegen die Krakenmacht der Korporatokratie? Meditieren statt konsumieren (a.a.O. Seite 302). Tagtraum statt Konsumwahn. Kann zumindest dazu führen, das wir nicht auch den Zug nehmen, der in die Hölle fährt. Wie man sieht, ist „Traum“ kein unpolitisches Thema – aber er bietet immer einen Ausweg aus „alternativlosen“ Wirklichkeiten, deren Entwicklung langsam wieder bedrohlich wird. „Alternativlosigkeit“ ist ein Luxus, den wir uns nicht mehr lange leisten können, weder als einzelne Menschen, noch als Gemeinschaft von Bürgern eines Landes, noch als Teil der NATO, noch als „weißer Mann“ und erst Recht nicht als Menschheit.

Wäre doch schön, wenn wir uns wieder eine lebenswerte Zukunft träumen und drauf vertrauen könnten, das diese Träume auch Wirklichkeit werden können weil wir als Menschheit es so wollen.

Also: träumt was Schönes!



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