So langsam wird es Zeit für eine Entscheidung, wie man das ganze europäische Projekt Währungsunion den Bach runtergehen lassen will. Guido Westerwelle meinte am Sonntag im Fernsehen, dass Deutschland nicht zum Zahlmeister der EU werden dürfe. Dabei ist das gar nicht mehr die Frage. Deutschland ist es doch längst als größter Gläubiger. Immerhin schulden die Defizitländer den deutschen Banken eine halbe Billion Dollar. Wer ernsthaft daran glaubt, dass die das mit Hilfe von Sparpaketen zurückzahlen werden, leidet an mehr als einer Politbürostarre.
Die Deutschen müssen endlich begreifen, dass ihre jahrelange Lohnzurückhaltung für die Exportüberschüsse sinnlos war. Die unter Lohnverzicht und Überstunden produzierten Güter für’s Ausland hat man im Prinzip verschenkt. Denn die Schuldscheine, die Deutschland im Gegenzug von den Defizitländern erhalten hat, müssen demnächst im Wert berichtigt werden. Das ist eben das Problem mit schön bedrucktem Papier. Man kann’s in Krisenzeiten nicht essen, sondern nur zusehen, wie der aufgedruckte Wert verloren geht.
Offensichtlich will man dem Problem aber nicht durch einen Ausgleich der Ungleichgewichte beikommen, also etwa dadurch, dass Deutschland höhere Löhne zulässt und mehr für die Binnenkonjunktur macht, der Arbeitgeber Hundt bellt ja schon wieder lautstark dagegen an, sondern mit einer Transferunion, in der Deutschland immer mehr Geld, dass uns laut Finanzminister Schäuble ja nix kostet, für den Rettungsschirm zur Verfügung stellt. Das darf nur keiner wissen, dass Angela Merkel die EU genauso abwickeln will, wie Helmut Kohl die DDR.
Das Problem dabei ist nur, dass die EU der BRD formal nicht beigetreten ist. Wenn die Transferunion kommt, können Merkel und Schäuble noch so vehement auf ihren Sparprogrammen bestehen. Die Defizitländer werden diese Verpflichtung zum ökonomischen Selbstmord nicht länger hinnehmen. Sie werden ihre Märkte einfach schließen, wenn Deutschland bockt und keine Kohle locker macht, Wirtschaftsunion hin oder her. Frau Merkel ist ja nur die Volkskanzlerin der dummen Deutschen und nicht der Iren, die bereits nachverhandeln wollen oder der randalierenden Briten oder der protestierenden Griechen, Spanier und Portugiesen. Diese Menschen kann man nicht so einfach einlullen. Die kämpfen um ihre Souveränität.
Deutschland zahlt als größter Gläubiger. Daran führt kein Weg vorbei, solange man an der krankhaften Exportorientierung festhält. Deutschland muss aber auch zahlen, wenn es gewillt wäre, die Ungleichgewichte abzubauen. An einer Zwischenfinanzierung, also einer Stabilisierung der Defizite führt auch kein Weg vorbei. Wer langfristig und europäisch denkt, weiß das. Hingegen funktioniert es nicht, wenn man den Defizitländern erklärt, sie müssten sparen und am deutschen Wesen genesen. Das führt nur weiter in die Rezession, in einen Wettbewerb nach unten. Ohne einen Impuls von außen, also vom Überschussland Deutschland, das endlich seine eigene Binnennachfrage ankurbelt, wird kein öffentliches Defizit abgebaut werden können.
Der Streit um Euro Bonds, bei dem es darum geht, ob Deutschland bereit ist, über sein begrenztes betriebswirtschaftliches Konkurrenzdenken hinauszugehen, ist in Wahrheit eine ermüdende, von Ideologie geprägte Diskussion. Merkel und Co befürchten, dass ein noch niedrigerer Zinssatz für Kredite bei den Schuldnerländern den Willen zur Haushaltssanierung senken würde. Die Kosten für Deutschland würden sich erhöhen. Wenn man sich die Begründung anschaut, begreift man wohl, warum der Eurogruppen-Chef Juncker der Kanzlerin simples Denken vorwarf.
Der Punkt ist doch der, dass die Sanierung der Haushalte das geringste Problem darstellt. Der Haushalt ist durch aktive Finanzpolitik, also mit Hilfe von Steuern über die Einnahmeseite beherrschbar. Man müsste die Einnahmeseite halt nur auch einmal aktiv betrachten (Vermögen- und Unternehmensbesteuerung), anstatt gebetsmühlenartig Ausgabekürzugen zu predigen. Aber das ist ein anderes Thema. Viel schlimmer sind die Handelsbilanzungleichgewichte, also die Verschuldung gegenüber dem Ausland. Dieser Schieflage ist durch nationale Maßnahmen allein nicht beizukommen. Das funktioniert nur über eine gemeinschaftliche Makropolitik. Über einen längeren Zeitraum müssen die Löhne in den Defizitländern langsamer wachsen als in den Überschussländern. Deutschland muss mehr Importe als Exporte zulassen und selbst Verschuldung gegenüber dem Ausland akzeptieren, damit die Defizitländer ihre Bilanzen ausgleichen können.
Deutschland täte überdies ein Ausgleich der Handelsbilanz ebenfalls gut, weil man statt Schuldscheinen endlich mal reale Waren konsumieren würde. Helmut Schmidt wies in seiner Kritik an Kanzlerin Merkel sehr deutlich darauf hin.
„Ich frage mich, ob dieser Profit wirklich ein Profit ist. Ich frage mich, ob es wirklich Gewinn bringend ist, andauernd Leistungsbilanzüberschüsse aufzubauen. Langfristig ist das kein Gewinn. Es bedeutet, dass man Waren verkauft und dafür nur Papiergeld erhält. Das wird später abgewertet, und man muss es abschreiben. So hält man Güter von der eigenen Nation fern, die sonst hätten konsumiert werden können.“
Quelle: Handelsblatt
Wenn nun also die Bundesregierung sich davor fürchtet bzw. verhindern will, der Zahlmeister zu sein, dann täuscht man die Menschen über die realen Zusammenhänge. Merkel und Co agieren partei- und wahltaktisch, nicht aber europäisch oder ökonomisch vernünftig. Mit ihrer unklaren Haltung sorgen sie darüber hinaus für Verunsicherung an den Märkten und erreichen damit genau das Gegenteil von dem was sie immer predigen. Stabilität einer Währung. Im Gegenteil, ihr Vorgehen erfüllt sogar den Tatbestand der Währungsmanipulation, weil ein schwacher Euro vor allem der deutschen Exportborniertheit nützt.