Auf der Seite Satundkabel findet man derzeit eine spannende Studie:
Die Hauptnachrichtensendungen im deutschen Fernsehen neigen laut einer Studie dazu, Terrorismus zu inszenieren. „Zugleich gibt es kaum Berichte über die Ursachen des Terrorismus“, sagte der Jenaer Kommunikationspsychologe Wolfgang Frindte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
Ich muß denen mal glauben, ich schaue seit sechs Jahren kein TV mehr. Zurecht, wie ich letztens merkte, als ich meinen „zappenden“ Sohn im Krankenhaus besuchte. Die Manipulationen, die dort offen und klar erkennbar laufen und noch vor dreissig Jahren von jedem Deutsch- Soziologie- oder Politiklehrer im Unterricht als Beispiel für völlig verblödete Propaganda hätten herhalte müssen, sind inzwischen gesellschaftsfähig. Vielleicht wollen die Leute das, vielleicht kennen sie auch nichts anderes mehr.
Sicherlich hat das Privatfernsehen viel verändert. Auf einmal war nicht mehr die Nachricht wichtig, sondern „wie sie ankommt“. Singende Puffväter retten inzwischen das Programm – auch ganz ohne Nachricht. Damit man als Nachrichtensprecher auch noch nächste Woche seine Rechnung bezahlen kann, braucht man ein Gegengewicht, das mit pupsenden Bodybuilderinnen mithalten kann. TERROR!!!! … ist da ein gewichtiges Argument.
Für Nachrichtensendungen ist es sicherlich entwürdigend, sich der Quote stellen zu müssen. „Heute war nichts los“ ist zwar an manchen Tagen Wirklichkeit, läßt sich aber mit dem modernen Nachrichtengeschäft nicht vereinbaren.
Eine Autobombe auf dem Weihnachtsmarkt ist da ein gefundenes Fressen findet auch viel weitere Verbreitung und mehr Kommentar als der schwedische Heckenschütze, der Jagd auf Ausländer macht. Das „Jagd auf Ausländer“ inzwischen weltweit ein immer beliebterer Sport ist, kommt auch nicht zur Sprache, noch fragt man sich, warum das eigentlich auf einmal so ist. So berichtet die Welt:
Tagelang wütete in Buenos Aires der Mob gegen obdachlose Ausländer. Vier Menschen starben. Nun werden die Einwanderer von Polizisten geschützt.
Die Täter – keine Taliban, sondern der vielgelobte Mittelstand. Dazu paßt auch eine andere Nachricht aus der Welt:
Der in Russland bekannte dunkelhäutige Schauspieler Tito Romario ist in St. Petersburg an seinen schweren Prügel-Verletzungen gestorben. Der gebürtige Brasilianer war schon häufiger Opfer rassistischer Übergriffe. Seit dem Ende der Sowjetunion hat die Ausländerfeindlichkeit in Russland stark zugenommen.
Im deutschen Mittelstand sieht es nach einer aktuellen Studie ähnlich aus, man sollte denken, das wäre wichtiger als Terrorismus – aber: es läßt sich nicht gut inszenieren. „Mittelschicht jagt Weltweit Minderheiten“ wäre eine gute Schlagzeile, entspricht der Wirklichkeit, aber paßt nicht ins aktuelle offizielle Bedrohungskonzept. Man merkt: nicht nur die Nachricht wird wichtig, sondern auch, was man mit ihrer Veröffentlichung bezweckt. Ein Nebenzweck: Machtzuwachs für die vierte Macht. Die Möglichkeit zur Inszenierung der Wirklichkeit gibt reale politische Macht. Eine Nebenwirkung: stärkeres Umwerben und Einbinden der vierten Macht durch die anderen gesellschaftlichen Mächte, wodurch sie eigentlich schon fast wieder sinnlos geworden ist.
In eine solche Situation manifestiert sich nun „Wikileaks“, das diese Woche mit „Openleaks“ eine Ergänzung („Konkurrenz“ würde ich da nicht sagen wollen) bekommt.
Schon ist die Empörung groß – unzensierte Fakten strömen durch das Land und verwirren den Wähler, noch schlimmer: aktuell erfährt er, welches „Klima“ innerhalb der US-Administration herrscht, wie arrogant eine Supermacht über ihre Mitmenschen urteilen. Schlimmer ist, das diese Supermacht unschuldige Menschen erschießt, aber da drückt man – weil es ins Konzept paßt – gerne mal ein Auge zu. Selbst wenn man belogen wird und die Tochter des kuweitischen Botschafters vor der UN ein billiges Theaterstück aufführt, um die Länder in einen Krieg zu treiben, nimmt man das relativ gelassen hin.
Das die gleiche Macht wegen Wikileaks laut Spiegel völlig aus ihrer pseudodemokratischen Rolle fällt, stört auch kaum.
In Großbritannien wartet Julian Assange auf seine Auslieferung an Schweden, US-Justizminister Eric Holder will ihn am liebsten selbst vor Gericht bringen. Es gibt dabei nur ein Problem: Es existiert kein passendes Gesetz, gegen das der WikiLeaks-Gründer verstoßen hätte – noch nicht.
Das ist die Einstellung einer Autokratie. So herrscht ein Diktator über sein Volk – mit Willkür. Deshalb wollten wir keine Autokraten mehr.
Was ist die eigentliche Sünde von Julien Assange?
Er stört massiv die Inszenierung der Wirklichkeit durch die Medien, dabei haben Politik und Wirtschaft viel Zeit und Geld aufgewendet, um die lästigen Medien endlich auf Kurs zu bringen, damit die endlich viel über die Gefahr durch den Terror berichten und nichts über die Wirkungen des Terrors der Globalisierung.
Allein die bloße Möglichkeit, das es da noch ein unkontrolliertes Medium gibt, das eventuell die fein vertuschten kriminellen Machenschaften von Mächtigen einfach so entblößen kann (und jedesmal gleichzeitig demonstriert, wie zahnlos und harmlos die etablierten Medien geworden sind), jagt weltweit den Tätern schon eine enorme Angst ein. Niemand kommt auf die Idee, dem diplomatischen Korps der USA nahezulegen, das sie vielleicht mal etwas an ihrer grundsätzlichen Einstellung gegenüber ihren Freunden, Verbündeten und Partnern ändern sollten – die abwertende, zynische Haltung dieser Leute scheint in Medienkreisen weithin akzeptiert zu sein, den gleichen Kreisen, die kein Problem damit haben, die internationalen Beziehungen weiterhin als globale Veranstaltung mit dem ethischen Niveau eines protestantischen Kirchentages abzubilden.
Diese Lüge zu leben wird aber dank Julien Assange nicht mehr länger möglich sein. Wen man sich aber nun überlegt, wer an dieser Inszenierung, die dank ihm an Glaubwürdigkeit deutlich verloren hat, alles mitwirkte und dran verdient hat, dann wundert man sich nicht mehr, wie viele ihn jetzt hassen und verurteilen.
Lieber wäre allen ein Volk, das mit offenem Mund Dieter Bohlens pupsenden Busenwundern zuschaut … oder was da alles aufgefahren wird um die Leute mit Klamauk von Bildung abzuhalten.