Krieg ist Mist. Das wissen die Ältesten unter uns sehr gut. In Wirklichkeit gibt es bei Kriegen keinen Gewinner – jedenfalls nicht unter den Teilnehmern. Je nach Definition gewinnt der eine oder andere Politiker, König oder General, die Mitarbeiter jedoch … sehen am Ende eines Kriegs überhaupt nicht mehr gut aus. Einen Krieg vom Zaun zu brechen ist leicht – sehr leicht. Einfach ein paar Menschen, besser noch Kinder erschiessen, schon tobt der Zorn hoch und die Maschine rollt – die Kriegsmaschine.
Ist sie erstmal in Gang gesetzt, läßt sie sich kaum noch stoppen. Ähnlich wie Konzerne: haben die erstmal ihre Wurzeln weltweit, werden sie allmächtig und können durch niemanden mehr aufgehalten werden – es sei denn, man ändert die komplette Wirtschaftsordnung, entzieht dem Gewächs seine Lebensgrundlage. Darum ist es so unglaublich wichtig, die Entwicklung von Kriegen im Vorfeld zu stoppen – all unsere Diplomatie, all unsere Verhandlungskunst, unsere Großzügigkeit haben nur einen Sinn: das Verstümmeln von Menschen durch Maschinen zu vermeiden. Den Kriegslüsternen kann man gar nicht oft genug die Bilder der Kriegsversehrten zeigen, damit sie wissen, auf welches Abenteuer sie sich da genau einlassen.
Vom Krieg gibt es verschiedene Definitionen. Ich gebrauche das Wort gerne im Sinne von „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ – wobei ich diese Mittel strikt ablehne. Man könnte auch sagen: „Fortschreitender Gebrauch von Gewalt als Mittel zur Problemlösung„. Alles feine Worte, an dessen Ende ein abgeschossener Unterkiefer, amputierte Gliebmassen oder Blindheit steht, vom Tod mal ganz abgesehen.
Ist der Krieg erstmal entfesselt, Gewalt als Lösung aller Probleme im Prinzip akzeptiert (eine Philosophie, die viele Videospiele verfolgen), ist er wie ein Feuer im Sägewerk – wobei das Sägewerk kaum räumliche Grenzen hat. Bald hat jeder einen Toten zu beklagen, den es zu rächen gilt, jeder einen Täter, der ausgemerzt gehört.
Ähnlich geht es momentan mit Wikileaks vor sich. Es folgt Schlag auf Schlag … dabei ist eigentlich gar nichts weiter geschehen. Orientiert man sich nach dem im Management gültigen Sicherheitsprinzip „even the worsest case“, mußte man mit der Möglichkeit rechnen, das die politische Welt eine interne Seite hat, die sehr unfreundlich ist. So ein Irakkrieg fällt doch nicht vom Himmel – da sind viele bewußte Entscheidungen getroffen, die den Mord an Zivilisten billigend in Kauf genommen haben. Wer so etwas tut, redet auch nicht freundlich über Westerwelle – darauf kann man sich verlassen.
Der „Spiegel“, ganz vorne mit dabei bei den Enthüllungen, mischt jetzt ganz vorne bei der Verurteilung der Enthüllungssympathisanten mit, verdient aber an den Enthüllungen selbst weiterhin sehr gut.
Die Hackerangriffe von WikiLeaks-Gegnern und -Sympathisanten eskalieren. Das Netz erlebt eine Welle digitaler Selbstjustiz, die der Meinungsfreiheit schadet – denn die Logik dahinter ist so simpel wie gefährlich: Wer die stärkste Technik hat, dominiert den Diskurs.
Der Einsatz von Gewalt im politischen oder gesellschaftlichen Diskurs ist immer abzulehnen. Selbst verbale Entgleisungen sind hier schon kritisch zu betrachten.
Als Bürger eines demokratischen Staates haben wir das Recht auf Gewaltanwendung abgegeben – an den Staat, der den Einsatz von Gewalt streng beaufsichtigen sollte. Jede Form von Selbstjustiz ist also ebenso abzulehnen … doch haben wir mit der von den Sozialdemokraten und den Grünen (die nebenbei auch gerne Bomben auf andere Länder schmeißen) etablierten Agenda 2010 genau dieses Prinzip etabliert: die Selbstjustiz der Konzerne, ihre Waffe im Kampf gegen den „faulen Bürger“.
Dann haben wir eine arrogante und korrupte Medienwelt, bei der die Konzernwelt dank der Abhängigkeit der Medien von Werbeeinnahmen (immerhin 75 % des Einkommens eines jeden Spiegelmitarbeiters) mit übergroßer Rücksicht – und Parteinahme rechnen darf.
Und hier nähern wir uns jetzt der brisanten Mischung, die gerade durch die geistige Welt tobt. Es gab eine Lücke in dem Schulterschluß von Politik und Wirtschaft, eine Medien- und Informationslücke. Die Technik hat Räume geschaffen, die durch die Staatsmacht nicht mehr zu kontrollieren sind. Freiräume … eigentlich etwas Schönes und Erstrebenswertes, denn Freiräume zu schaffen ist ja Sinn einer jeden Demokratie.
Jetzt aber merken wir gerade, das eben diese Demokratie mehr und mehr zum schönen Schein wird – dort, wo der Bürger selbst lesen, denken und entscheiden will, wird er lästig. Dort, wo nicht irgendwo irgendein Wirtschaftsvertreter irgendwie die Finger auf Informationen hat und bestimmen kann, was man dem Volk zumuten darf und was nicht, wird man unruhige …. weil man weiß, das man was zu verstecken hat. Das wäre jedenfalls mein Verdacht: even the worsest case bewehrt sich bei der Lenkung von Konzernen sehr gut, während das „even the nicest case“ der deutschen Politik aus den Bürgern faule Hunde macht – jedenfalls wenn man der Welt glauben darf:
Die Deutschen sind gutgläubige Staatsbürger und lieben die Ruhe. Zufrieden blicken sie auf Reförmchen und den Sozialstaat. Das wird für kommende Herausforderungen nicht reichen.
So schnell werden Medien beleidigend, wenn die Bürger bei der Abschaffung des Sozialstaates nicht sofort „Hurra!!!“ brüllen und Gewehr bei Fuß stehen … und so sehr ist die vierte Macht insgesamt als globale multimediale Pressestelle dem Bundesverband der Deutschen Industrie einverleibt worden.
Auf einmal findet man auch die Notwendigkeit von Moral wieder, eine Moral, die international agierende Superkonzerne (die größer und wirtschaftlich machtvoller sind als die meisten Staaten) vor 16-jährigen Internetnutzern schützen sollen, die einen Freiraum verteidigen. Hier werden moralische Urteile verbrochen, die an Unbildung und Ignoranz frisch aus der Welt der faschistischen Erziehungsanstalten kommen, auf einmal ist es schlimm, das der Mensch weniger Wert ist als die Technik, auf einmal ist es schlimm, das Drohnen Demonstranten ersetzen oder das „nur die Schädigung des Opfers Aufmerksamkeit bringt, wie der Spiegelautor anklagend formuliert. Das die gleichen Anklagen auch gegen den Straßenverkehr, die Agenda 2010, den Afghanistankrieg oder die Bankenkrise vorgebracht werden können kommt keinem in den Sinn: wer zahlt, befiehlt – scheint der Leitsatz des deutschen Journalismus im 21. Jahrhundert zu sein.
Steht man im Krieg um die Freiräume des Internet auf einmal möglicherweise auf der Verliererseite, erinnert man sich – ganz selbstlos – auf einmal daran, das es ja auch noch „Moral“ gibt … eine Moral, die man zuvor im Interesse der Werbeeinnahmen großzügig verkauft hat?
Ich hoffe nur, man bleibt bei der Moral auch bei den Themen, wo man auf der Gewinnerseite steht, merkt, das es nicht gut ist, wenn der Mensch weniger Wert ist als die Rendite, das Drohnen in Afghanistan ebenso wie der Straßenverkehr Menschen tötet und das Krieg nicht nur dann schlecht ist, wenn man als Verlierer dasteht und möglichweise damit rechnen muß, von Jugendlichen ohne journalistische Ausbildung aus dem Netz geschossen zu werden.
Vielleicht macht man sich dann mal Gedanken darüber, ob es nicht eine durch nichts gerechtfertigte internationale Menschenjagd gegen einen kleinen Internetapostel ist, der den Kriegsfall überhaupt erst ausgelöst hat … aber diese Menschenjagd im Sinne der Konzernherren ist ja in Ordnung – solange die Werbeeinnahmen fließen.
Noch ein abschließendes Wort aus der Feder des Spiegel-Autors Konrad Lischka?
Wer die bessere Technik nutzt, wer mit einfachen Botschaften und klaren Angriffszielen möglichst viele Demo-Drohnen für seine Sache gewinnt, der erlangt mehr Aufmerksamkeit als andere. Doch wenn einfach die stärkere Technik gewinnt, wird die Meinungsvielfalt verlieren.
Ein wahres Wort gelassen ausgesprochen … aber das Prinzip gilt selbstverständlich nicht für die Blogs, deren Existenz jetzt durch den konzernfreundlichen Jugendmedienschutzstaatsvertrag gefährdet wird. Meinungsvielfalt ist nicht im Sinne des Gesetzgebers – und damit ist auch Demokratie nicht mehr im Interesse des Gesetzgebers. Welche Meinung man sich bilden soll, wird von den Pressesprechern des Konzernunwesens tagtäglich auf allen Kanälen verkündet, Gegenmeinungen werden gejagt. Gegenmeinungen? Mit der Jagd auf Julien Assange jagt man einfach nur … die Wahrheit. Allerdings eine Wahrheit, die beim ruhigen Abkassieren stört, an dem alle Entscheidungsträger und Medienapostel gut mitverdienen.