Was war geschehen? Eine Internetplattform hat – wie für Medien eigentlich üblich – Informationen aus Quellen veröffentlicht. Bei den Informationen war eigentlich bislang nichts überragend Neues dabei – jedenfalls für mich nicht. Bräuchte keinen Artikel der letzten Jahre umschreiben, weil ich meine politische Bildung eher aus Büchern denn aus Wikipedia beziehe. Ganz neu hat man erfahren, das die USA Westerwelle für eine Flasche halten – ganz Deutschland war erstaunt, das der Mann, der die FDP auf vier Prozent heruntergewirtschaftet hat und immer noch auf jede staatsmännische Kontur verzichtet, in den USA nicht als das Genie anerkannt wird, für das er sich selber hält.
Man hätte diese Affäre also einfach mit einem Schulterzucken abtun können – zumal es ja – wie wir seit Jahren fleissig lernen – überhaupt keine Verschwörungen gibt und die privaten und öffentlichen Medien immer über alles umfassend und ausführlich informieren, sogar über die Massenvernichtungswaffen des Irak oder die drohende Vernichtung Europas durch die Taliban oder die Schweinegrippe … war ja nur noch eine Frage, wer von den beiden zuerst in Berlin ankommt.
In dieser offenen, herzlichen Atmosphäre der internationalen Politik, wo sich nur reinweg edle und gutmeinende Charaktere zur Rettung der Welt, des Friedens und der ständigen Erweiterung des Wohlstandes der Gesamtbevölkerung treffen hat es nun ein paar Mißklänge gegeben die immer deutlicher wahrgenommen werden, je öfter man über sie spricht.
Die Meinung der USA zu Westerwelle wiegt offenbar schwerer als der Angriffskrieg gegen den Irak mit einer Million toter Menschen – auf jeden Fall scheint es irgendwen zu stören, das es da die Möglichkeit gibt, einfach vertrauliche Dokumente veröffentlichen zu können, denn … hinter den Kulissen der Weltpolitik geht doch mehr ab, als man uns gerne glauben machen möchte.
Natürlich verzichtete man auf der internationalen Bühne nicht darauf, möglichst viel Kapital aus den Vorgängen zu schlagen, weil es darum im Prinzip in Wirklichkeit geht: Kapital aus allem schlagen – vor allem aus der Arbeitskraft der Bürger – aber letztendlich hätte wohl kein Hahn mehr danach gekräht, wenn nicht – ja wenn nicht die internationalen Konzerne sich eingemischt hätten. Amazon, Visa, Paypal … auf einmal mischten sich Gemischtwarenhändler in die Politik ein.
„Wir verkaufen nicht an Juden!“ verdeutlicht vielleicht, welches Prinzip hier wieder zu wirken beginnt: Wirtschaftskraft wird Waffe gegen mißliebige Menschen.
Nun habe ich noch Stimmen von bezahlten Qualitätsjournalisten im Ohr, die mir versichern, das der Bürger niemals mit der Wahrheit „einfach so“ konfrontiert werden dürfe. Das ginge ja gar nicht. Das müsse ja „aufbereitet“ und „einsortiert“ werden, „vorgekaut“ sozusagen. Das der „Qualitätsjournalist“ de fakto damit der Entmündigung des Bürgers das Wort redet, fällt ihm im eiferenden Kampf um die Fleischtöpfe kaum noch ein. So etwas gefällt wohl den Konzernherren und den von ihnen gesponserten Politikern, den die großen, staatstragenden Medien werden ja nicht in dieser Weise von Konzernen angegangen.
Würden Tankstellen kein Benzin mehr an Autos mit „Anti-AKW“-Aufklebern verkaufen, würde man vielleicht deutlicher verstehen, welches Prinzip hier gerade versucht, politische Realitäten zu schaffen.
Das alles jedoch bringt den „Spiegel“ nicht in Rage. Was ihn jedoch stört, ist die „Operation Payback“.
Dass sie dabei die falschen Zeichen setzen, fällt anscheinend niemandem auf. Letztlich sind die Aktionen virtuelle Steinwürfe, Molotows, Akte des Vandalismus. Was sie vermeintlich adelt, ist das vorgeblich hehre Ziel: Kämen sie aus „falscher“ Richtung (Staat, Behörden, Unternehmen), wäre das Geschrei groß.
Insofern sind die Aktionen vor allem der Ausdruck eines Herrschaftsanspruchs. „Wir sind das Web!“, sollen die Attacken auf Mastercard und Co. zeigen. Und wer sich nicht nach „unseren“ Regeln verhält, wird bestraft.
„Wer sich nicht nach unseren Regeln verhält, wird bestraft“ …. ist in der Tat das Prinzip der Konzerngewalten. Das jedoch scheint die Herren des „Spiegel“ nicht zu stören – immerhin kauft man selber bei Amazon, hat die Mastercard und wird auch gerne mal zu diversen Events der Konzerne eingeladen. Wenn es aber der „Pöbel“ ist, der „Mob“, der „Untertan“, der sich selbst wie ein Konzern gebärdet, dann ist das Ausdruck eines Herrschaftsanspruches, den es zu bannen gilt?
Terror ist nur dann Terror, wenn er von der falschen Seite kommt? Konzernterror ist guter Terror, weil Konzerne viel Geld in die Kassen des „Spiegel“ spülen?
Sollte man bei all dem nicht mal dran erinnern, das der Skandal im Wikileaks gar keiner wäre, wenn die „Tagesschau“ und andere Formate nicht täglich ein Bild von einer Welt zeichnen würden, das zwar schön rosig aber in Wirklichkeit ziemlich weltfremd ist? Außerhalb der Medien habe ich noch keinen Menschen getroffen, der von dem Inhalt und dem Tonfall der Veröffentlichungen überrascht war.
Es wäre eine Frage der Moral zu beurteilen, ab wann man die Aktionen der „Hacker“ gut oder böse nennen kann. Das Urteil fällt schwer, weil Hacker sich auf „Notwehr“ berufen werden und auch der Anspruch des bezahlten Journalismus, dem Bürger nur vorgekautes Material zumuten zu wollen, einen Akt der Notwehr wie Wikileaks selber herausfordert. Letztlich verhalten sich Hacker unmoralisch wie ihre Vorbilder in Wirtschaft und Politik: wer die Macht hat, kann sie einsetzen.
Und hier scheint die Quelle des „Spiegel“-Geschrei: man merkt, das es eine Nische gibt, über die man keine Macht hat. Was wäre nur mit den von Werbeeinnahmen gut bezahlten Stellen bei „Spiegel-Online“, wenn man unaufbereitete Informationen einfach so aus dem Internet beziehen und sich selber Gedanken darüber machen kann, darf und muß, wie man die jetzt einsortiert? Es gäbe bald keine gut bezahlten Stellen mehr – dafür ein mündiges Volk voller Journalisten.
Für manche … eine grauenvolle Vorstellung. Da ist es besser, man organisiert deren Verwaltung so, das sie den ganzen Tag mit irgendetwas beschäftigt sind und gut unterhalten werden. Und in dem Geschäft mischt das ehemalige Nachrichtenmagazin ja kräftig mit.
Wahrscheinlich wird es die Herren vom Spiegel freuen, das jetzt die ersten Täter gefaßt sind: ein 16-jähriger Junge in Holland.