Lange Zeit hieß es ja auch bei uns: „Von den USA lernen heißt siegen lernen“ – und wenn man sich die aktuelle staatliche Wirtschaftspolitik in Deutschland so anschaut, dann kann man sich des Eindruck nicht erwehren, als ob hier ein neues Bundesland der USA entstehen soll. Rente bald mit 69 (man sollte aber besser privat vorsorgen, um überhaupt noch Geld zu bekommen), Arbeitslosenunterstützung nur noch für fünf Jahre (wenn überhaupt), Abbau der Leistungen im Gesundheitswesen (ausgenommen der Arzthonorare) … alles schon angedacht und in Planung.
Nun haben die USA ja gerade Krise – möglicherweise die größte Krise ihrer Geschichte, eine Krise, die auch Fed-Chef Bernanke laut Manager-Magazin beunruhigt.
Sollte die Arbeitslosigkeit auf dem aktuellen Niveau bleiben, werde dies zu „sehr ernsthaften ökonomischen und sozialen Konsequenzen“ führen, sagte Bernanke am Dienstag (Ortszeit) auf einer Veranstaltung der Universität von Ohio. Betriebe und private Haushalte zögerten mit Investitionen und Konsum, weil sie über ihre künftigen Einkommen unsicher seien. „Neue Arbeitsplätze zu schaffen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, ist daher von unglaublicher Bedeutung“, mahnte Bernanke.
Offiziell haben die USA gerade eine Arbeitslosenquote von 10%. Real dürfte sie höher liegen … so bei einem Artikel bei Telepolis Anfang diesen Jahres:
US-Arbeitsmarktexperten gehen davon aus, dass die Arbeitslosenquote tatsächlich eher bei 17 % als bei 10 % liegt.
Einer der Statistik-Tricks der USA ist die Integration des Strafvollzuges in den Arbeitsmarkt, wie das Petra Willaredt im Netzwerk-Regenbogen schon 2003 berichtet:
Zuletzt in der Rezension über das Buch von Barbara Ehrenreich über die US-amerikanischen „working poor“1, hatten wir auf das Buch von Bruce Western und Katherine Beckett hingewiesen, das faktenreich den Mythos vom US-amerikanischen „Job-Wunder“ widerlegt. In ihrer Studie ‚Das Strafrecht als Institution des US-amerikanischen Arbeitsmarktes‘ wiesen Western und Benett nach, daß die Arbeitslosenzahlen in der USA „bereinigt“ werden, indem die Justiz dort Menschen (darunter überproportional viele Schwarze) massenhaft wegsperrt. Rechnet mensch die Zahl der Inhaftierten heraus, liegt die Arbeitslosenquote auf demselben Niveau wie in Deutschland. Da außerdem entlassene Häftlinge weitaus schlechtere Chancen auf einen Job haben und demzufolge die Rückfallquote in den USA mit 70 Prozent sehr hoch ist, „verschwinden genau jene, deren Arbeitslosigkeits-Risiko hoch ist, aus der Statistik“, so Western und Beckett.
Genau dieses Job-Wunder der USA hatte damals aber mit zum Sozialabbau in Deutschland geführt, war von etablierten Medien in breiter Front als beispielhaft bejubelt worden: Jobwunder gibt es nur durch Sozialabbau.
Nun haben wir das Jahr 2010, der Herr Bernanke von der FED druckt Geld in unbegrenzten Mengen, das die Aktienmärkte beflügelt, neue Blasen ermöglicht. Mit Geld war er schon immer sehr großzügig gewesen, auch vor der Krise, wie das Handelsblatt berichtet:
Der bekannte Ex-Investmentbanker, Uni-Professor und Wall-Street-Kritiker Frank Partnoy weist in einem Gastbeitrag in der „Financial Times“ außerdem darauf hin, dass die Daten der Aussage von Fed-Chef Ben Bernanke widersprechen, es sei der Fed unmöglich gewesen, Lehman Brothers zu retten, ohne das Gesetz zu brechen. Die Daten zeigen Partnoy zufolge, dass andere Investmentbanken und in geringerem Umfang auch Lehman bereits deutlich vor dem Lehman Kollaps Fed-Kredite bekommen hätten. So habe etwa die später an JP Morgan verkaufte und dadurch gerettete Investmentbank Bear Stearns im März einen Kredit von 28 Milliarden Dollar von der Fed erhalten.
Kein Wunder, das da viele die Krise mit Gewinn überstanden haben. Da die Herren des Geldes aber lieber virtuelle anstatt reale Werte schaffen, bleibt ein Problem: keiner will mehr Geld für Arbeitskraft ausgeben, weil der Prozeß der Umwandlung von Arbeitskraft in Rendite viel anstrengender ist, als der Prozeß, mithilfe von Börsentricks und Anlagespielereien in wenigen Tagen zum Millionär zu werden. Da lebt halt die Spitze der Wirtschaft genau jene Faulheit vor, die sie den Verlierern des Systems gern unterstellt.
Was macht nun Bernanke? Nachdem er vor der Krise Geld gab, damit man sie herbeispekulieren konnte, während der Krise Geld gab, damit die Reichen bloß keinen Cent verlieren gibt er nun nochmehr Geld in der Hoffnung, das irgendwann schon irgendwer irgendwo einen Arbeitsplatz damit schaffen wird. Aber die Arbeitsplätze bleiben aus, dafür drohen Wirtschaftskriege:
Doch, kurzfristig könnten die US-Unternehmen von den Wechselkurskapriolen der US-Notenbank profitieren und ihre Exporte ausbauen. Doch selbst das wird nicht lange für Gutes aus Sicht der Amerikaner sorgen. Denn viele Volkswirtschaften weltweit könnten so destabilisiert werden, dass deren Nachfrage nach US-Waren bald sinkt.
Die neue US-Notenbank-Expansion könnte selbst unter befreundeten Staaten – Europa, Japan und Schwellenländer, deren Währungen mit freien Wechselkursen gebildet werden – als Akt der Aggression angesehen werden.
So der Ökonom Aslund im Manager Magazin. Merkel und Brüderle werden die „AUFSCHWUNG“-Parolen im Hals stecken bleiben, wenn sie merken, das US-Firmen sich wieder mehr Marktanteile sichern und so die Pläne deutscher Konzerne torpedieren. Immer mehr Dollar zu drucken macht den Dollar immer wertloser aber US-Waren im Ausland billiger. Eine bequeme Methode, sich Konkurrenz vom Hals zu schaffen. Gibt es jetzt noch mehr Geld zum Abbau der Arbeitslosigkeit, dreht sich die Spirale noch schneller. Spannend ist jedoch, was der Ökonom des Manager Magazins den USA als Lösung empfiehlt:
Die Jobsucher in Europa können sich auf ein verlässliches soziales Netz verlassen und eine universelle Krankenversicherung. Das brauchen die USA auch. Dann würden auch die Vereinigten Staaten über einen automatischen Stabilisierungsmechanismus verfügen – und die US-Regierung könnte sich ihre Holzhammermethoden sparen.
Eigentlich eine Sensation, die auf die Titelseiten aller Zeitungen gehört und nicht nur versteckt in einem Fachmagazin, das kaum jemand liest. Möglicherweise würde ja der deutsche Wohlstandsbürger wieder freundlicher über den Sozialstaat denken, wenn er sehen würde, das als letzte Lösung – nach jahrzehntelangem Abbau – letztlich nur das lückenlose soziale Netz die USA vor dem endlosen Gelddrucken und seinen häßlichen Folgen schützt. Und – wie toll – nebenbei haben auch echte Menschen was davon und nicht nur virtuelle Bilanzen.
Selbst das Wegsperren von Arbeitslosen hat sich als wirtschaftlich uneffektiv erwiesen (allerdings nicht für die Firmen, die das privat erledigen, die Gewinne in dem Sektor waren recht ordentlich) – Gott sei dank, bevor wir auch in diesem Land in großem Maßstab damit angefangen haben. Eigentlich auch logisch: die Nutzung von Arbeitskraft ist immer billiger als ihre Vernichtung – so wird rein wirtschaftlich betrachtet auch ein Konzentrationslager ein Verlustgeschäft, das nur Geld (und Menschen) verbrennt.
Insofern wäre die Hoffnung, das wir vielleicht doch noch die Kurve kriegen und mit dem Sozialstaatsabbau aufhören, bevor wir merken, das das auch sehr teuer wird, selbst wenn wir von Hartz IV auf Hartz NULL übergehen und alle Arbeitslosen als Strafe für ihre unverschämte Weigerung an der Teilnahme des neuen deutschen Traums mitzuwirken einsperren.