Politik

USA und Kanada fordern Hinrichtung von Wiki-Leaks-Verantwortlichen – und das Ende der freien Welt

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Es wird der Moment kommen, wo man erkennen muß, das es zu spät ist, die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft in eine neue Barbarei zu stoppen. Es mag sein, das der Moment schon jetzt da ist – wenn man die WELT ernst nehmen darf:

„Es gab sogar Rufe nach einer Ermordung von Julian Assange.“ Deshalb fürchte Assange zurecht um seine Sicherheit, sagte Hrafnsson. Der Wikileaks-Gründer werde sich deshalb weiter versteckt halten. Hrafnsson reagierte offensichtlich auf Aussagen aus Nordamerika. In den USA hatte der frühere republikanische Gouverneur von Arkansas, Mike Huckabee, Medienberichten zufolge gefordert, dass der Verantwortliche für die Wikileaks-Enthüllungen wegen Verrats angeklagt und hingerichtet werden solle.

In Kanada sagte ein Berater von Regierungschef Stephen Harper – offensichtlich ironisch – im Fernsehen, Assange sollte „getötet werden“ und US-Präsident Barack Obama könnte „eine Drohne nutzen“.

Man fragt sich, warum es diese Aufregung gibt.  Selbst wenn man bislang der Meinung war, das die herrschende Kaste in den USA respektvoll und voller Hochachtung über den Rest der Welt gesprochen hat, so ist es doch weniger der Tatbestand der Veröffentlichung, der Zorn erregen sollte, sondern die Arroganz und Verachtung, mit denen diese Kommentare formuliert werden.

Geht man nur mit Gewalt gegen den Boten vor … so zeigt man vor allem eins: man möchte an der eigenen Einstellung nichts ändern.

Was ist so fürchterlich an der Einschätzung der Demokratie in Russland? Ständige Ermordungen von kritischen Journalisten zeigen, das man dort wache informierte Bürger genauso wenig schätzt wie in den USA. Und die Macht mafiöser Strukturen in Russland ist doch kein Geheimnis, erst kürzlich konnte man im Spiegel darüber lesen:

Sie morden, brandschatzen, vergewaltigen: In russischen Provinznestern herrschen schwerkriminelle Banden, denen die Staatsmacht kampflos das Feld überlassen hat. Die verzweifelten Bürger flehen um Hilfe, aber wer soll ihnen beistehen?

Es sind Bilder aus einer Zukunft, die auch in Deutschland möglich geworden ist, einer Zukunft, auf die wir gezielt hinarbeiten. In den Idealvorstellungen der Konzernwelten brauchen wir zur Leistungsoptimierung in unteren gesellschaftlichen Schichten eine dicke Portion realer Grausamkeit – nichts anderes ist der Hintergedanke zu Hartz IV.

Diese Entwicklung bedroht die gesamte menschliche Zivilisation, deren mächtigere Bewohner überwiegend ihre Zeit vor dem Fernseher verbringen – in früheren Zeiten hätte man gesagt: in der Arena den Gladiatorenkämpfen und Christenverfolgungen zuschauen.

Meldungen wie die in der heutigen Ausgabe des „Spiegel“ sind doch wirklich nicht so umwerfend neu … noch kommt es unerwartet:

Etliche US-Depeschen aus dem WikiLeaks-Fundus erschüttern den Glauben an den Rechtsstaat Russland. Argwöhnisch beobachten die Diplomaten die wachsende Macht mafiöser Clans und Großkrimineller – und deren angebliche Kontakte in die Moskauer Staatsspitze.

Je größer die Herrschaft der Konzerne umso schwächer wird der Staat. Je schwächer der Staat wird, umso größer wird die Gefahr, das kriminelle Banden sich in Nischen festsetzen. So hat sich der Adel vor Jahrtausenden etabliert. Um Mao zu zitieren: Macht kommt aus den Läufen der Gewehre – und je ohnmächtiger das Volk (der SOUVERÄN) ist, umso größer wird der Wunsch nach Macht, um sich schützen zu können.

Es ist die Zukunftsvision einer Vivianne Forrester, auf die die neoliberale Wirtschaftspolitik mit großen Schritten zumarschiert:  sichere Konzernnetzwerke, in deren Machtbereich sicheres Leben möglich ist – Disney hat es mit Celebration laut archinform schon mal vorgemacht:

Cele­brated, also g efeiert, verherrlicht wird hier die heile Welt, wie sie Disney vor schwebt, denn der Kon zern hat sich vor ge nom­men, nach der perfekt illusionierten Traumwelt nun auch die Wirklickeit in Ordnung zu bringen ‒ wenigstens auf dem eige­nen claim. Wie die synthetische Kleinstadt Celebration also sieht die amerikanische Idealwelt aus, proper, clean und ohne soziale Probleme, ein »Prototyp für das kommende Jahrtausend«, so Disney-Chef Michael Eisner.

Alle kritisieren die Schaffung von „Parallelwelten“ durch Immigranten – kaum jemand fällt auf, das Konzerne mit ihrer unglaublichen Macht beginnen, ihre eigene Realität und Wirklichkeit zu bauen, in der Demokratie keinen Platz mehr hat. „Soziale Probleme“ bleiben draußen, und damit die auch wirklich draußen bleiben und sich nicht Widerstand organisieren, ist es gut, wenn die Gesellschaft in hohem Maße kriminalisiert wird. „Herrenmenschen“ leben sicher in den Siedlungszentren während der Rest im verwüsteten, ausgeplünderten Niemandsland vor sich hin vegetiert, wo Banden dafür sorgen, das es keinerlei sinnstiftende Organisation mehr gibt.

Eine Horrorversion der Zukunft – für die meisten von uns. Und doch ist sie unaufhaltsam, sofern man nicht die Wurzeln der Entwicklung erkennt. Eine außer Rand und Band geratene Wirtschaftsordnung ist so gefährlich für die Demokratie wie eine außer Rand und Band geratene Militärmaschine. Letztere haben wir gezähmt, das kann uns mit ersterer auch gelingen – aber nur dann, wenn wir bereit sind, über den Tellerrand hinaus zu schauen und das wahrzunehmen, was in den inneren Zirkeln der Macht gedacht und geplant wird.

Einen Ausblick darauf haben wir durch Wikileaks erhalten. Russland zeigt, wie schwach Staaten werden können, wenn sie unvorbereitet der Korporatokratie vor die Füße fallen – sie werden einfach aufgekauft, wer dagegen ist, wird erschossen.

Schon lange reden wir nicht mehr von der freien Welt, die uns früher Tag für Tag gepredigt wurde. An die glaubt auch kaum noch einer, sie hat ihre Bedeutung verloren, war nur im Kampf gegen die Sowjetunion eine Zeit lang nützlich. Jetzt, wo dieser Garant für die Machtbegrenzung der Korporatokratie gefallen ist, zeigt der Westen, das nicht die Demokratie sein Hauptantriebsmotor war, sondern der Wille der Konzerne zur grenzenlosen Machtentfaltung.

Das Ende der freien Welt kam mit dem Ende der Sowjetunion, deren Bürger die blutigen Folgen dieses Endes am eigenen Leib erleben. Die Korporatokratie freut sich, denn in der Sowjetunion sind einige neue Geldpressmaschinen geboren worden, die noch mehr Arbeitskraft in Finanztitel auf Konten einfrieren und das Volk in Folge im Elend verrotten lassen.

In Deutschland können Millionen Menschen das Ende der Freiheit und die Macht der Konzerne am eigenen Leib erleben … aber kaum jemand stört sich darum, weil es von breiten Bevölkerungsschichten als „gerecht“ empfunden wird: Agenda 2010 ist ein reines Konzernprodukt. Ein weiterer Endpunkt der Freiheit – im Prinzip (aber nicht von der Qualität her) gleich mit den Morddrohungen gegenüber Wikileaks – ist der Jugendmedienstaatsvertrag, der momentan die Freiheit der politischen Meinungsbildung im Internet anzugreifen droht.

Hier … hat man zwei Felder, wo man selber vor Ort etwas zur Rettung der freien Welt tun kann….wenn man möchte. Ich schätze mal, die Mehrheit hofft lieber auf einen Platz in den Luxusarchen der Konzerneigner – allerdings brauchen die nur noch 20% der Bevölkerung, Tendenz sinkend. Kann sich ja jeder selbst ausrechnen, wie groß seine Chancen sind, in den „Celebration“-Ablegern aufgenommen zu werden.

Ansonsten … sollte man sich gut überlegen, ob man diesen Konzern (Artikel im Spiegel) noch unterstützen möchte:

WikiLeaks verliert seine US-Heimat im Internet. Dienstleister Amazon untersagte dem Enthüllungsportal die Nutzung seiner Server – offenbar hatte Washington auf diesen Schritt gedrängt. Die WikiLeaks-Webseite ist nun über einen schwedischen Anbieter zu erreichen.




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