Leben

Wir Einmaligen, der Weltkrieg, der Weltuntergang und der Tod.

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Zivilisationskritik macht immer Spaß, gleichzeitig ist sie immer ein wenig unfair. Spaß macht sie, weil jeder im Alltag auf Kritikwürdiges trifft. Damit ist nicht nur die Politik gemeint (die ja inzwischen schon teilweise  so absurd erscheint, das man anstatt Kabarett lieber Comedy macht) sondern auch der ganz normal Alltag, der uns zum Beispiel sowas wie den „Smart“ auf deutschen Straßen beschert hat. Mal ehrlich … welcher normal denkender Mensch kauft sich ein Auto mit dem Transportniveau eines Kinderwagens? Etwas unfair ist die Kritik auch immer, denn Menschen wir Vieh zwischen Maschinen zu halten führt automatisch zu auffälligen Verhaltensweisen – wäre bei Kühen genauso. Sich dann auch noch darüber lustig zu machen wie seltsam die dabei aussehen ist schon etwas gemein – immerhin hat in dem freien Land voller selbstbestimmter Individualisten, die alle Herr über ihreigenes  Schicksal sind, niemand seine Lebensumstände selbst gewählt,  auch Einrichtung, Alltagsstruktur und Kleidung werden liebend gern von anderen übernommen….was laut einem in der Zeit vorgestellten Buch dann schon mal ziemlich unterhaltsam zu betrachten ist:

Wir Einmaligen heißt das Buch von Oliver Errichiello und Arnd Zschiesche. Sie sind Markensoziologen, erzählt der Klappentext. Ihr Befund: Unsere Einzigartigkeit ist eine Erfindung kluger Marketingstrategen. Weil die Warenwelt über uns herrscht und wir ihrem Versprechen von Individualität blindlings erliegen, kaufen wir Polarjacken, Apple Computer, nachhaltige Klappspaten von Manufactum und anderen Unfug. Wir wollen besonders sein, werden aber bloß zu Knallchargen der Konsumgesellschaft.

Wir stellen uns auf den Bühnen von Social-Media-Seiten aus und melden mit marktgängig optimierter Fröhlichkeit: „Dr. Stefan Oldenburg freut sich auf eine Woche voller Termine.“ Kurzum: Unser Leben ist eine Dauerwerbesendung.

Unter den vielen Kommunikationstherorien gibt es auch eine, die meint: jede Kommunikation ist auch Manipulation. Das ergibt sich alleine aus der Tatsache, das jede Kommunikation auch einen Zweck bzw. eine Absicht hat. Was aber Werbung angeht, so ist sie durchgängig Manipulation. Vorbei die Zeiten, wo uns eine Hausfrau mit Schürze mitteilte: „Spee ist toll!“. Die Werbung, der wir uns dank Fernsehen gezielt aussetzen, verändert unser Weltbild gezielt – und formt uns zu Knallchargen der Konsumgesellschaft, mit mit ihren Polarjacken in der Kölner Innenstadt nur lustig aussehen, besonders, wenn sie mit dem frisch gewachsten SUV vorfahren.

Ich denke mir, es könnte auch einen Zusammenhang zwischen den Weltuntergangsphantasien und der Kultur der „Einmaligen“ geben. Den Tod hat man ja schön verdrängt, man vergräbt die Toten nicht mehr unter der eigenen Haustürschwelle, damit sie auch im Tode noch bei einem sind, man karrt sie auf den Friedhof. Wird einer krank, kommt er ins Krankenhaus, wird er alt, dann kommt er ins Altenheim – kommt er aus den Häusern nicht mehr heraus, dann ist er … von uns gegangen. Obwohl es nahezu schon strafbar ist, offen religiös zu sein und an ein Leben nach dem Tode zu glauben (oder einfach instinktiv zu wissen, das es da weitergeht), benutzen doch alle noch Formulierungen, die sehr freundlich wirken und auf eine Fernreise ohne Rückfahrkarte hindeuten und nichts mehr mit Erde und Würmern und Häßlichkeit zu tun haben.

Das einzige, was uns noch Angst macht, ist der Weltuntergang. Wenn einfach alles zusammenbricht. Den können wir nicht in ein separates Lager schicken, der schluckt die Lager selbst. Dabei – das was uns Menschen ausmacht, im Inneren, im Kern … ist LEBEN. Das gibt es sogar noch auf den Inseln, die mehrfach von Atombomben getroffen wurden. Und die Welt als solche … wird sich noch ziemlich lange um die Sonne drehen, selbst dann, wenn kein Mensch mehr auf ihr herumläuft. Die Welt also … kann gar nicht untergehen. Dafür sorgt allein schon der Energieerhaltungssatz.

Aber das tröstet uns nicht darüber hinweg, das so etwas absolut EINMALIGES, so was absolut GÖTTLICHES wie ICH einfach nicht EWIG SEIN soll – obwohl wir aussehen wie die Halbgötter des Konsums auf den Werbeplakaten. Ich denke, darum verdrängen wir auch die Möglichkeit, das es Kriege geben kann. Kriege waren jahrtausendelang Begleiter der Menschheit, wir erinnern uns (im übrigen weltweit) nur noch mühsam an Zeiten, in denen es etwas anderes als Kriege gab – der Mythos vom „goldenen Zeitalter“ der Vergangenheit sitzt tief verankert in der Menschheit.

Es gibt auch Menschen, die führen gerne Krieg. Die einen finden die Jagd auf Menschen oder den fairen Kampf Mann gegen Mann sehr erfrischend – oder, um der Zeit gerecht zu werden – sehr erotisch. Die anderen spielen lieber Schach …. auch wenn es zum Weltkrieg führen wird, wie Diane Johnson in ihrem Artikel „Rußland einkreisen, China ins Visier nehmen“ bei „Antikrieg“ ausführt:

Der einzige Grund, gegen China loszugehen, ist wie der sprichwärtliche Grund, den Berg zu besteigen: es ist da. Es ist groß. Und die Vereinigten Staaten von Amerika müssen über allem stehen.

Die Strategie für die Beherrschung Chinas ist die gleiche wie für Russland. Sie besteht in klassischer Kriegsführung: Einkreisung, Belagerung, mehr oder weniger geheimer Unterstützung für innere Unordnung. Beispiele für diese Strategie:

In provokanter Weise verstärken die Vereinigten Staaten von Amerika ihre militärische Präsenz entlang der pazifischen Küste Chinas, indem sie den ostasiatischen Ländern „Schutz gegen China“ anbieten.

Während des Kalten Krieges, als Indien seine Waffen von der Sowjetunion bekam und eine blockfreie Haltung einnahm, bewaffneten die Vereinigten Staaten von Amerika Pakistan als seinen wichtigsten Alliierten in der Region. Jetzt verlagern die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Gunst nach Indien, um Indien aus dem Einfluss der Shanghai Cooperation Organization herauszuhalten und es als Gegengewicht zu China aufzubauen.

Die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Alliierten unterstützen jede innere Abweichung, die China schwächen könnte, sei es der Dalai Lama, die Uighuren oder Liu Xiaobo, der eingesperrte Dissident.

So ein Krieg ist für uns schwer vorstellbar. Wir haben jetzt 65 Jahre Frieden, selbst unsere Rentner kennen keinen Krieg mehr. Und das die USA in ihrer Politik keine Rücksicht darauf nehmen, das ICH ein Kunstwerk ist, an dem wir jahrelang gearbeitet haben bis es endlich nicht mehr so sehr zwischen den anderen Kunstwerken auffällt und endlich vollendet individuell in der Masse steht, ist uns völlig unvorstellbar.

Dabei … nur mal ein kleines Gedankenexperiment:

Was wäre, wenn der Arzt morgen nach der Routineuntersuchung uns mit der DIAGNOSE: KREBS überrascht (einer Diagnose, die im Übrigen selbst schon Krebs auslösen kann, nebenbei bemerkt)? Würde uns dann der Untergang der Welt oder der Krieg zwischen den USA und China (der eigentlich schon tobt, nur noch nicht heiß) noch irgendwie stören? Wären wir nicht total erschüttert, das dieses Welt es zuläßt, das so etwas unglaublich tolles und einzigartiges wie ICH einfach so vergeht?

Dabei ist das völlig klar: wir werden sterben. Wir sind jetzt schon wandelnde Tote, wir fallen nur noch nicht um, weil die Maschine noch funktioniert. Die hat aber nur eine beschränkte Haltbarkeit – was auch gut so ist, weil wir nur beschränkten Platz haben. Und gäbe es dieses Prinzip des Aussterbens in der Natur nicht, dann hätten wir uns zwischen Tyrannosaurus und Riesenskorpionen wohl nicht lange halten können und niemals eine Polarjacke in der Kölner Innenstadt tragen können.

Wenn wir die Gelassenheit haben, den eigenen Tod zu ertragen, dann haben wir auch die Gelassenheit, der Zukunft konstruktiv entgegen zu gehen.

Gut, es mag sein, das die gleichförmige Monotonie des Alltags durchbrochen wird von Menschen, die lieber anderes im Sinn haben – zum Beispiel die Weltherrschaft, nochmal Diane Johnsson:

Einer, der sich dazu verstieg, Strategie zu definieren, ist Zbigniew Brzezinski, der Pate der afghanischen Mujahidin noch in der Zeit, in der sie benutzt werden konnten, um die Sowjetunion zu vernichten. Brzezinski nahm sich kein Blatt vor den Mund, als er in seinem 1993 erschienenen Buch The Grand Chessboard (Das Große Schachbrett) unverblümt das strategische Ziel der Politik der Vereinigten Staaten von Amerika beschrieb: „Amerikanische Vormachtstellung“. Was die NATO betraf, so beschrieb er diese als eine der Einrichtungen, die dazu diente, die amerikanische Vorherrschaft zu perpetuieren, „indem sie die Vereinigten Staaten von Amerika zu einem entscheidenden Mitspieler sogar bei innereuropäischen Angelegenheiten machte.“ In ihrem „globalen Netzwerk spezialisierter Institutionen“, das natürlich die NATO mit einschließt, üben die Vereinigten Staaten von Amerika die Macht aus durch „anhaltendes Verhandeln, Dialog, Diffusion und das Streben nach formalem Konsens, obwohl diese Macht letztlich von einer einzigen Stelle ausgeht, nämlich Washington, D.C.“

Dieser Brzezinski ist derzeit außenpolitischer Berater des amerikanischen Präsidenten. Ein Schachspieler, der genau weiß, was die Masse will: Tittytainment.

Kaum zu glauben, das wir unsere Jack Wolfskin-Jacke wegen Leuten wie ihm tragen, deshalb „Wetten Das“ schauen und den Superstar suchen, anstatt mit unseren Großeltern über ihr Leben zu reden, das nicht mehr ewig dauern wird.

Und selbst wenn der Krieg kommen sollte (was recht wahrscheinlich ist, weil die USA China ersticken werden und die Chinesen sich jetzt schon wehren) – der Tod ist sicherer als das. Wir werden auch im Kriege Menschen brauchen, die die Fahne der Menschlichkeit gegen die Barbarei verteidigen – und wir werden nach dem Krieg Menschen brauchen, die eine Ordnung errichten, die zukünftige Kriege unmöglich macht und vor allem den Kindern die Zusammenhänge erklärt, damit die wiederum etwas an ihre Kinder weitergeben können.

Es gibt nichts, wovor man sich fürchten muß. Sicher, es wird Einschränkungen im Leben geben. Die schlimmste Einschränkung im Leben ist der Tod selbst … und der kommt viel sicherer als ein neuer Krieg – für jeden von uns. Kommen wir damit klar …. kann uns der Rest auch nicht mehr erschüttern.



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