Wirtschaft

Irland und die Wirtschaftskrise: der Putsch der Krämerseelen und das Versagen der Medien

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Wenn ich an Irland denke, dann muß ich zuerst an die Predigten denken, die uns jahrelang über die hervorragende Wirtschaftskraft des „keltischen Tigers“ gehalten wurden.  Sowas findet man heutzutage noch im „Irlandguide“:

Wirtschaftlich war die Republik Irland lange Zeit sehr rückständig, die Wirtschaft stagnierte, die Inflationsraten stiegen. Das hat sich aber mit dem EG-Beitritt 1973 und den damit verbundenen Förderprogrammen zunächst langsam geändert. Seit Mitte der Neunziger Jahre erlebt Irland nun einen regelrechten Wirtschaftsboom, so wurde etwa das Wirtschaftswachstum 2003 mit 4,8 Prozent veranschlagt, weit über EU-Durchschnitt. Dieser Aufschwung hat Irland auch den Namen „keltischer Tiger” eingebracht, in Anlehnung an die „Tigerstaaten” Südostasiens.

Momentan wird klar: aus dem keltischen Tiger wird ein verschuldeter Dackel. Liest man mal konkret, wie dieser Tiger seinen Aufschwung geschafft hat, kann einem schon übel werden, so schreibt diePresse:

Irlands Wirtschaftswunder sei eine Illusion gewesen, behauptet Peter Boone von der London School of Economics. Die Basis dafür seien der clevere Gebrauch einer Steueroasen-Gesetzgebung und ein enormer Kreditboom gewesen.

Die eindrucksvollen Wachstumsraten über die letzte Dekade seien teilweise auf die aggressiven Versuche zurückzuführen, großen US-Konzernen bei ihren steuerschonenden Abrechnungen zu helfen. Rund 20 Prozent des irischen BIPs sei auf solche Gewinn-Transfers zurückzuführen, die kaum Steuereinnahmen gebracht hätten. Würde man die irischen Zahlen diesem Faktum anpassen, sehe es für Irland noch fataler aus.

Irland ist schon jetzt das EU-Land mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung. Das hoch verschuldete Land droht seine Sparziele weiterhin zu verfehlen. Die Regierung werde ihre Haushaltspläne für die kommenden Jahre wohl bald an die holprige Entwicklung der Konjunktur anpassen müssen, sagte der irische Zentralbankchef Patrick Honohan kürzlich.

Auf den Finanzmärkten kursieren bereits Gerüchte, dass die Iren auf die Hilfe des Rettungsschirms der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückgreifen müssen. Dublin und der IWF beeilten sich, die angebliche Notwendigkeit milliardenschwerer Hilfen mit Nachdruck zu dementieren.

Das Geheimnis des irischen Wirtschaftswunders? Sie haben sich der Korporatokratie als willige Prostituierte angedient und ihr beim Kampf gegen die sterbenden staatlichen Strukturen, bei dem laufenden Vernichtungsfeldzug gegen die Sozialstaaten, Gewerkschaften und parlamentarischen Demokratien und beim Raubzug auf die Steuerbillionen volle Unterstützung zugesagt.

Zuerst sollte man angesichts dieser Entwicklung vor allem eins anmerken: wieder einmal haben Politik und Experten auf breiter Front versagt, ebenso die Medien. Eine Aufklärung über den Seifenblasencharakter des irischen Tigers hätte ich mir von führenden deutschen Wirtschaftsmagazinen jeden Tag erwartet – und nicht erst dann, wenn der Tiger in den Brunnen gefallen ist und sich als Frosch erwies, als Kröte, die wir jetzt wieder zu schlucken haben.

Wozu lese ich eigentlich noch Zeitung, wozu konsumiere ich überhaupt noch Nachrichten, wenn ein so offensichtliches Scheinwirtschaftswunder jahrelang als vorbildlich für die ganze EU dargestellt wird? Kristallkugel und Tarotkarten scheinen mir da hilfreicher zu sein als die Lektüre von Handelsblatt, Financiell Times und Manager Magazin – erstere haben wenigstens die Chance auf einen Zufallstreffer.

Schaut man ins Detail, verblüfft wieder mal die kriminelle Energie, mit der früher mal scheinbar seriöse Geldinstitute in Irland agieren – hier ein irischer Ökonom im Manager-Magazin:

Davies führt an, dass ein gutes Fünftel der Direktinvestitionen im Finanzbereich angefallen sei, dem Zentrum der irischen Krise – und auch Ausgangspunkt für manche Probleme in den Finanzsystemen anderer Länder; so waren die Zweckgesellschaften und Tochterbanken, die deutsche Problembanken wie IKB, SachsenLB oder Hypo Real Estate in die Malaise brachten, steuergünstig in Dublin angesiedelt. Zudem sind diese Investitionen so schnell wieder verschwunden, wie sie kamen.

So schnell wie die Konzerne, die nur mal schnell zum Zwecke des Steuernsparens vorbeigeschaut haben, verschwinden laut FTD auch die „Werte“ des Landes:

Die Irland-Hilfen können den Kollaps des Immobilienmarkts auf der grünen Insel nicht eindämmen. Seit 2008 haben Immobilien zwischen 50 und 60 Prozent ihres Wertes verloren. Und die Preise fallen weiter.

Wer also ein Haus für 200000 Euro gekauft hat, muß feststellen, das es nur noch 100000 Euro Wert ist, seine Hypothek aber gleichbleibend hoch ist. Da hilft nur noch eins: Mieten erhöhen, Preise erhöhen, noch mehr Geld aus dem Markt pressen im verzweifelten Versuch, die Verluste auszugleichen. Und in der neuen virtuellen Welt der Geldadelshöfe  freut man sich über noch mehr virtuelle Zahlenhaufen, die in Sekundenschnelle ungebändigt um den Globus rasen und dabei immer mehr realen Schaden anrichten.

Die Gefahren des Turokapitalismus waren bekannt. Das er zum Krieg gegen die Zivilgesellschaft aufruft und diese bis in ihre Grundfesten erschüttern und zersetzen wird ebenfalls. Man braucht kein Wirtschaftsexperte zu sein um zu verstehen, welche Wirkung Konzerne haben, die immer mehr Geld (bzw. „Leistung“) aus Ländern saugen um es in Steuerparadiesen vor der Menschheit zu verstecken.  Das ist die geschichtliche Aufgabe, vor der wir wohl im Moment stehen: nachdem Staaten gelernt haben, das militärische Macht gebändigt und kontrolliert werden muß, weil sie sonst dazu tendiert, Regierungsmacht mit Gewalt an sich zu reißen, müssen Staaten jetzt lernen, das auch wirtschaftliche Macht gebändigt und kontrolliert werden muß.  Nach den Generälen ist es nun die Managerkaste, die Krämerseelenelite, die nach der Allmacht im Staate greift … und in Deutschland schon so weit gekommen ist, das man von einer Regierung der „Leistungsträger“-Netzwerke reden kann. Ein Witz eigentlich,  da diese „Leistungsträger“ eigentlich Leistungsvernichter sind.  Die enorme Wirtschaftsleistung unseres Landes resultiert in immer größeren Schulden – und die Unsummen finden sich nicht auf den Konten der Arbeitslosen, den Sparbüchern der Kinder oder unter den Betten der Minirentner wieder.

Der Geldkreislauf eines Landes ist immer ein geschlossenes System – sonst hat er keinen Wert. Und wenn ich Verteilungsmechanismen konstruiere, die auf der einen Seite immensen Reichtum anhäufen, dann hat das viele Nebenwirkungen – national wie international. Da bleibt nämlich weniger für irgendwen übrig, meistens für jene, die keine Verwandten im Verteilungsmechanismuskonstruktionsbüro haben. Wer also persönlich auf einem großen Geldhaufen sitzt, sollte sich immer im klaren sein, das die pure Größe dieses Haufens irgendwo auf der Welt einen Schatten von Leid, Hunger und Tod wirft.

Ich denke jedoch, das der Putsch der Wirtschaft zeigt, das sich die Krämerseelen längst weit jenseits jeglicher Menschlichkeit bewegen, wie ein aktueller Einblick im Spiegel in eins der gesellschaftlich konstruierten Geldverteilungsmechanismen zeigt:

Der Wall Street droht der größte Insider-Skandal ihrer Geschichte. Dutzende Firmen sollen sich illegal Spekulationsvorteile verschafft haben. Manche Branchenvertreter halten die Vorwürfe für überzogen – der Handel mit geheimen Informationen gehöre nun mal zum Geschäft.

Und was machen die Medien in diesem Tohuwabohu, in dem man sich als Durchschnittsbürger nur noch mühsam durchwursteln kann?

Ein Blick in die Presseschau des  Handelsblattes zeigt ihre Rolle im System deutlich.

Die Wirtschaftsagentur Reuters sieht Portugal als nächsten Anwärter auf EU-Hilfe, sollte nicht bald eine umfassende Lösung gefunden werden. Irlands Rettung dürfte zwar die Märkte etwas beruhigen, doch der Effekt werde nicht lange anhalten. Die Gründe für die Misere Irlands und Portugals seien zwar verschieden – während Irland sich an der Rettung der Banken übernommen habe, leide Portugal an mangelnder Wettbewerbsfähigkeit und geringem Wachstum –, das Ergebnis sei jedoch gleich: „Eine Schuldenlast, die Märkte als kaum tragbar ansehen“.

Irland hat sich bei der Bankenrettung übernommen.

Die Börsen-Zeitung räumt in ihrem Kommentar mit falschen Behauptungen der Politiker von Angela Merkel bis Wolfgang Schäuble zu der Euro-Krise auf. Bei der Rettung Irlands und Griechenlands sei angeblich jedes Mal die Zukunft des Eurolands auf dem Spiel gestanden. Damit streuten Politiker Sand in die Augen von Europas Bürgern. Falsch sei etwa, dass es um die Stabilität des Euro gehe. „Fakt ist, dass es sich nicht um eine Krise der Währung, sondern der Staatsfinanzen handelt“, kommentiert die Zeitung. Falschbehauptung Nummer zwei sei, dass die Märkte durch Ausweitung der Risikoaufschläge die Refinanzierungsmöglichkeiten Irlands verschlechtert und die Hilfen so erzwungen hätten. „Fakt ist, dass für Irland aktuell keine Refinanzierungen anstehen“, so das Blatt. Irland sei der Rettungsschirm aufgedrängt worden. Als falsch habe sich ebenfalls die Behauptung erwiesen, alleine die Existenz eines 750 Milliarden Euro Rettungsfonds werde Märkte beruhigen. Die vierte Falschbehauptung sei, dass Irland vor allem wegen des angeschlagenen Bankensektors geholfen werden müsse. Tatsächlich habe die EZB den irischen Bankensektor längst gerettet.

Irland hat sich bei der Bankenrettung nicht übernommen.

In Zeiten, wo die Banken selber kaum wissen, was in ihren Geschäftsräumen vor sich geht (weshalb ja Bankenexperten unverzichtbar geworden sind, wie wir im Rahmen der Krise gelernt haben), hat der normale Bürger da – neben der Bewältigung des Alltagsterrors – noch ziemlich viel zu tun, sich in den Spannungsfeldern von These und Antithese zurechtzufinden….eine Aufgabe, bei der ihm die Medien eigentlich helfen sollten. Stattdessen vernebeln sie fleissig weiter.



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