Politik

Terrorgefahr in Deutschland

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Ein vornehmes Recht von Bloggern ist … sie dürfen sich irren – selbst im politischen Bereich. Das ist der Vorteil einer freien Gesellschaft insgesamt, das Irrtümer (sogar, wenn sie zu Verbrechen geführt haben) insgesamt toleriert.  So kann ich mich jetzt irren, wenn ich sage: die Terrorwarnung ist Humbug. Ich habe  keine Geheimdienstarmeen unter Kontrolle, kann keine Satellitenbilder abrufen oder mit Millionen Dollar  Informationen von Aussteigern erkaufen.

Wenn ich mich irre und sage: „die Terrorgefahr ist Humbug“ bin ich mir wohl sehr bewußt, das man es sich als Regierungschef nicht so leicht machen kann. Als Verantwortlicher einer Organisation muß man nach dem Fall „even the worsest case“ handeln, um Schaden abzuwehren.  Dadurch macht man sich oft lächerlich, wie auch zum Beispiel jene Verschwörungsanalytiker, die behaupten, das westliche Netzwerke der Macht für den Angriff auf die Twin Towers verantwortlich sind … die gleichen Kräfte, vor denen schon Eisenhower gewarnt hatte und die Kennedy ermordet haben.  Immerhin – die Macht der USA steht auf dem Spiel, das 21. Jahrhundert wird wohl nicht so US-amerikanisch werden wie das letzte Jahrhundert – viele Megareiche haben viel zu verlieren, wenn man das Rad der Geschichte nicht noch mal zu seinen Gunsten wenden kann.  Wir töten in Afghanistan unschuldige Menschen (worunter man im Anfang sogar die von den USA für den Kampf gegen die Sowjetunion ins Leben gerufenen Taliban zählen kann … junge Leute, denen man mit viel Propaganda den Kopf verdreht hat), obwohl laut Peter Scholl-Latour vor Ort nach Aussagen der Afghanen selbst kaum noch Taliban existieren.

Nun, wenn Krieg ist, muß man irgendwen erschiessen, das gehört zu einem Krieg einfach dazu. Die Afghanen haben es da leicht, ein Ziel zu finden, sie haben fremde Truppen im Land. Und die fremden Truppen finden schnell mal eine Hochzeitsgesellschaft, auf die man Bomben werfen kann – und schon ist der Krieg fertig.

Ob er wirklich notwendig ist, ob wirklich der lange totgesagte Osama bin Laden als unheimlicher, nicht zu besiegender Widersacher (sehr ähnlich den  Schurken in den alten James Bond-Filmen) mit seinen Dialyseapparaten in irgendwelchen Höhlen haust und von dort aus das Ende der Welt plant, wird gar nicht mehr nachgefragt – was selbst eine erste Form von Terror in Deutschland ist: der Terror der Ignoranz.  Vorbei die Zeiten, in denen das ZDF den Vorwürfen nachgegangen ist, ob Kennedy wirklich einem Komplott zum Opfer fiel (sie kamen zu dem Ergebnis: Nein! – was, wie man jetzt weiß, ein Irrtum war) – was Wirklichkeit ist, beschließt die Regierung.

Die hat jetzt beschlossen, das Terror ist, blieb allerdings in ihren Ankündigungen sehr diffus, wie die Zeit berichtet:

Die Behörden schweigen sich darüber aus, welche Warnungen sie konkret zum Alarm veranlassten. Möglich, dass es – anders als der Innenminister sagt – die Vielzahl der Hinweise war. In Sicherheitskreisen heißt es, nicht eine einzelne Erkenntnis, sondern ein wachsendes Grundrauschen an Meldungen – vor allem aus den USA – sei der Neubewertung der Gefahrenlage vorausgegangen.

„Ein wachsendes Grundrauschen“ gibt es auch in den Medien, wo man sich in  Spekulationen über die Art des Anschlages ereifert:

De Maizières Warnung blieb diffus. Kein Wunder, dass schnell allerlei Spekulationen die Runde machten. Der aus Pakistan stammende Mohammed Ilyas Kashmiri, der auch schon den Anschlag auf das Touristenlokal German Bakery im indischen Pune im Februar dieses Jahres organisiert haben soll, stecke hinter den Anschlagsplänen, hieß es. Kashmiri habe zwei bis vier in Pakistan ausgebildete Terroristen auf den Weg nach Deutschland geschickt, die „weiche Ziele“ wie Weihnachtsmärkte angreifen sollten, schrieb der Tagesspiegel. Focus Online ergänzte, es sei ein Anschlag nach dem Vorbild des Mumbai-Attentats geplant. Das Kommando solle am 22. November in Deutschland eintreffen.

Die „Welt“ nennt auch ein konkretes Datum: 22. November, 21,45. Dann nämlich wird Report Mainz konkrete Hinweise zu dem Anschlag veröffentlichen, während das BKA noch im Dunkeln tappt:

Von einem geplanten Anschlag in Berlin hatten bereits die Nachrichtenmagazine „Spiegel“ und „Focus“ berichtet. Laut „Spiegel“ planen islamistische Terroristen eine Geiselnahme und ein Blutbad im Reichstag. BKA-Chef Jörg Ziercke nannte diesen Bericht „hochspekulativ“ und grenzwertig. Das BKA habe keine konkreten Informationen über Terrorziele. „Es gibt keine Hinweise auf bestimmte Orte, Personen oder Zeitpunkte“, sagte Ziercke.

Anders in den Medien: dort ist Endkampfstimmung. Wie in einem echten James Bond-Thriller treffen absolut gut und fürchterlich böse in einem gnadenlosen, alles entscheidenden Akt aufeinander, ein Ringkampf, aufbereitet für die Massenmedien, hier in der Welt:

Und wenigen ist bewusst, wie sehr der darin aufscheinende Geist des religiösen Fanatismus, des Mordwillens und des kühl kalkulierenden Nihilismus Thomas de Maizière zuwider ist. Der Schachspieler Osama Bin Laden, dessen einziges Ziel es ist, alle Figuren und dann sich selbst zu opfern, ist die Antithese zu allem, was der musische Hugenotte de Maizière zeit seines politischen Lebens angestrebt hat.

Man glaubt, man ist im Kino. Nur gut, das sich jetzt laut Spiegel die Kanzlerin gemeldet hat, um endlich klar Schiff zu machen:

„Wir haben eine reale Gefährdung durch den Terrorismus“, sagte Angela Merkel (CDU) am Samstag am Rande des Nato-Gipfels in Lissabon.

Die CDU-Politikerin wollte „keine Details“ zu möglichen Anschlagszielen nennen, mahnte jedoch, nicht in Panik zu verfallen. Die Sicherheitsbehörden arbeiteten „aufmerksam und der Lage angemessen“. Merkel fügte hinzu: „Wir sind entschlossen, uns unsere Lebensweise der Freiheit nicht nehmen zu lassen.“

Auch ich bin entschlossen, mir meine Lebensweise der Freiheit nicht nehmen zu lassen. Wir haben im Umfeld einige sehr angenehme deutsche Muslime, um deren Zukunft ich  mir langsam Sorgen mache wie um meine Lebensweise der Freiheit. Folgen wir mal den Empfehlungen des Innenministers und werden weder panisch noch hysterisch und schauen einfach mal, was Sache ist: nochmal was aus der Zeit dazu:

Thomas de Maizière taugt nicht zum Rambo. Selbst als er vor die Presse trat, um der deutschen Öffentlichkeit klarzumachen, dass sie sich auf unbestimmte Zeit an den Anblick von Polizisten mit Maschinenpistolen wird gewöhnen müssen, wirkte er noch wie ein freundlicher Steuerberater. Und keineswegs wie der Sicherheitsminister, nach dem sich seine Partei so sehnt. Es bestehe Anlass zur Sorge, nicht zur Hysterie, versuchte der Innenminister zu beschwichtigen, nachdem er kurz zuvor eröffnet hatte, dass ein Anschlag unmittelbar bevorstehen könnte.

Manche werden es wahrscheinlich als Terror empfinden, auf unbestimmte Zeit überforderte und überarbeitete Polizisten mit Maschinenpistolen um sich zu haben, denen man gerade den Urlaub gestrichen hat. Manche werden es als Terror empfinden, das die Regierung Terror anordnet und wieder besseren Wissens so tut, als ob er schon da ist und dem Land vorsorglich schon mal den Anstrich einer Militärjunta gibt, damit die Terroristen so richtig Angst bekommen, jene Terroristen, die viel besser Jagd auf Deutsche im Ausland machen könnten – das reisefreudigste Volk der Welt ist dort draußen in seinen Clubs sehr verletzlich, mit wenig Aufwand könnte man dort viel mehr erreichen als hier in Bielefeld.

Es gibt dort keine Anschläge – weshalb ich mal davon ausgehe, das man an schwerer zu erreichenden Orten ebenfalls nichts zu befürchten hat.

Nun habe ich aber gut reden, wir in der Eifel haben auch von der Wirtschaftskrise nicht viel mitbekommen, es gibt mehr Geschäfte als zuvor. Bei uns stehen auch keine Polizisten mit Maschinenpistolen herum, obwohl man zu Fuß (oder auch mit dem Auto) ganz bequem die Grenze nach Belgien und Luxemburg überqueren kann – völlig unerkannt durch dichte Wälder und finstere Moore, wenn man möchte – oder ganz öffentlich einfach von Belgien aus durchfahren … oft merkt man gar nicht, das man gerade sein Land verlassen hat. Wie gut, das man auf jeden Fall weiß, das die Terroristen immer erste Klasse fliegen und Hauptstädte angreifen, anstatt wie die Afghanistan-Armee einfach mal ein paar zivile Ziele zu vernichten. Kindergärten in Prüm, eine Grundschule in Bitburg, ein Krankenhaus in Trier, der Dom in Aachen … da wäre vieles leicht zu erreichen mit dem Effekt einer Bombe in einer Masse von Menschen.

Denn … auch das wird ignoriert: deutsche Politik trägt seit vielen Jahren mit dazu bei, das die Welt brutaler und unsicherer wirkt, weshalb man mitlerweile ernsthaft damit rechnen muß, das uns mal jemand etwas heimzahlt … ein Vater, dessen Kinder bei einem von Deutschen initiierten Luftangriff verloren hat oder eine Mutter, deren Kinder  von  Deutschen versehentlich erschossen wurden, Brüder, Geschister, Onkel, Tanten von verbrannten, zerfetzten Verwandten, die einfach nur uns ein wenig von dem heimzahlen wollen, was wir ausgeteilt haben.

Wenn Peter Scholl-Latour von einer Zunahme des radikalen Islam berichtet, von einer zunehmenden Islamisierung der arabischen Zivilgesellschaften, dann sehe ich eine Ursache davon in dem weltweiten imperialen Auftritt der westlichen Zivilgesellschaften, deren Soldaten und Konzerne sich nicht mehr Zivil verhalten.

Und deshalb sieht es in Deutschland schon jetzt nach ganz viel Terror aus, Maschinenpistolen und Schützenpanzer überall – außer in der Eifel. Und so sehen wir, das der Angriff einer unzivilen Macht Zivilgesellschaften zerrütten kann. Im Ausland zerrütten deutsche Bomben die Zivilgesellschaften, im Inneren deutsche Maschinenpistolen, die Angst vor einem unsichtbaren, allgegenwärtigen Dr. No/Osama bin Laden haben.

Muß ich jetzt noch eine Prognose über die Zukunft der Menschenrechte auf diesem Planeten abgeben … oder kann man sich das selber denken?




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