Würde man den Bürgermeister von Londen fragen, so hielte er Deutsche wohl für Idioten, jedenfalls laut Handelsblatt:
Der Bürgermeister von London bezeichnete Fahrer schwerer Geländewagen in der City schon mal als Idioten. An deutschen Neuwagenkäufern perlt solche Häme ab, wie Regentropfen am frisch polierten Range Rover. Sie investieren in sportliche Offroader wie nie zuvor.
Dafür ist Geld da. Nun gibt es SUV schon für relativ wenig Geld, der gute alte Lada kostet knapp 10000 Euro. Was aber allen diesen Monstren gemein sein dürfte: im Verbrauch sind sie sicher nicht billig. Dafür muß also auch Geld da sein, Geld, das man am bequemsten immer noch durch Steuerhinterziehung einsacken kann. Allerdings – wie das Manager-Magazin in Bezugnahme auf einen Artikel im Spiegel berichtet – geht das Geld jetzt nicht mehr in die Schweiz:
Deutsche verschieben ihr Schwarzgeld von der Schweiz einem Bericht des „Spiegel“ zufolge in größerem Stil in die asiatischen Steueroasen Singapur und Hongkong. Spitzenbeamte des Bundesfinanzministeriums halten es für möglich, dass sie dabei die Hilfe Schweizer Banken bekommen, wie der „Spiegel“ am Samstag vorab berichtete. Grund dafür ist das geplante Steuerabkommen zwischen Berlin und Bern, in dem die Besteuerung von Altvermögen sowie eine Abgeltungsteuer für künftige Erträge festgelegt werden sollen.
Nach Angaben des Bankenexperten der Schweizerischen Volkspartei, Hans Kaufmann, wurden allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres 62 Milliarden Schweizer Franken verschoben. Die Schwarzgelder sind in Singapur und Hongkong weitgehend sicher.
Es muß schon ein enormes Maß an krimineller Energie und Verachtung für das eigenen Land, die eigenen Nachbarn und deren Kinder vorhanden sein, das man sein Geld lieber nach Asien schafft als sich hier an dem Erhalt der Gemeinschaft zu beteiligen, dabei ist es erst unsere Infrastruktur, unsere Gesellschaftsordnung und unsere demokratische Kultur, die diese Gewinne überhaupt erst möglich macht. „Nehmen? JA! Geben? NEIN! – so der Slogan der deutschen Leistungselite, der Freiberufler und Unternehmer – also all jener Menschen, die über ihre Steuerzahlungen mehr Souveränität haben als das Millionenheer der durchschnittlichen Angestellten.
Und weil man gerne nimmt, nimmt man auch die Lebensarbeitszeit seiner Mitmenschen gerne mit, weil das das Konto in Hongkong so richtig satt macht, leut FAZ:
In Deutschland haben so viele Ältere eine Arbeit wie in wenigen anderen europäischen Ländern. Die Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen ist seit 2007 um fast 8 Prozentpunkte auf 57,4 Prozent (im zweiten Quartal 2010) gestiegen. Damit nimmt Deutschland hinter einigen skandinavischen Ländern und Zypern eine Spitzenposition in Europa ein.
Ja, welch Wunder! Wir haben gar keine Arbeitslosen mehr. Jeder bekommt in Deutschland Arbeit, auch die, die früher jenseits der Vierzig als völlig chancenlos dastanden. Und wie immer setzt sich das Prinzip der Leistungselite durch: Rentenbeiträge nehmen? Klar. Rente auszahlen? Lieber nicht.
Die Lebenserwartung und damit die Rentenbezugszeit stiegen außerdem beständig. Bis 2030 werde die Lebenserwartung der 65-Jährigen um 2,8 Jahre zunehmen. „Die Rentenbezugsdauer sinkt also nicht um zwei Jahre, sondern steigt trotz der Anhebung der Altersgrenzen voraussichtlich um 0,8 Jahre“, sagte Gaßner. Die Rentenreformen müssten daher kontinuierlich fortgesetzt werden. Er schlägt vor, die Rentenformel so zu ergänzen, dass die Altersgrenze automatisch parallel zur demografischen Entwicklung steigt. Zudem müssten die starren Grenzen zwischen Erwerbsleben und Ruhestand aufgehoben werden. Der Rentenbeginn müsse, ausgehend von der Rente mit 67, flexibler werden.
So denkt der Präsident des Bundesversicherungsamtes … ein Mann, der Hartz IV auf XXL – Niveau bezieht, sozusagen den 100-Euro-Job statt des ein Euro Jobs.
Wenn die Rentenreformen „kontinuierlich fortgesetzt“ werden müssen, beginnend mit der Rente ab 64, dann ist die Rente ab 80 fest im Blick – und wenn der Mann das schon öffentlich fordert, dann dürfte der genug Rückendeckung im politischen Bereich haben.
Ja, die Leute werden älter. Eine Schande, wenn die nicht nur für die Rente einzahlen, sondern sie auch noch beziehen wollen.
Apropo „Ein-Euro-Jobs“ … wie erwartet profitiert der Bund der Steuerhinterzieher auch hiervon, so heute in der Zeit:
Die Praxis sieht vielfach anders aus: So beseitigten die staatlich finanzierten Ein-Euro-Jobber illegalen Müll, sie halfen beim Umzug eines städtischen Bauhofs oder sie putzten Nasszellen in einem Altenheim. Dies stellt der Bundesrechnungshof fest, der die Arbeit mehrerer Jobcenter untersuchte.
Damit geben die Aufseher in ihrem Bericht Unternehmen Recht, die die Jobs als Konkurrenz im eigenen Geschäftsfeld sehen. Die Kontrolleure bemängeln, dass in mehr als der Hälfte der geprüften Fälle von Ein-Euro-Jobs der Staat hätte kein Geld geben dürfen. Entweder habe es sich bei den Arbeiten nicht wie vorgeschrieben um eine zusätzliche Tätigkeit im Interesse der Allgemeinheit gehandelt oder aber sei durch die Ein-Euro-Jobs nicht geförderten Unternehmen Konkurrenz gemacht worden, hieß es in dem Report, aus dem die Süddeutsche Zeitung zitiert.
Sicher, das ist schlecht für die Unternehmen, die durch die ARGE eine unschlagbare Konkurrenz bekommen – aber es ist gut für all jene, die die Arbeitsleistung der Arbeitslosen fast umsonst bekommen. Da bleibt mehr übrig für Hongkong. Und die Unternehmer, die nun Aufträge verlieren … können ja ihre Leute einfach entlassen und so die Kosten reduzieren, um selbst auch wieder was für Hongkong zu haben. Das hat für die Auftraggeber den Vorteil, das sie mit demselben Personal weitermachen können – jetzt halt nur für einen Euro.
17 Milliarden gibt die Agentur für diese Arbeitsplatzvernichtungsjobs aus, das sind 17000 Millionen – viel Geld für Nichts, denn wie wir dem Manager-Magazin entnehmen, haben Langzeitarbeitslose ja eigentlich keine Probleme, auch im Alter einen Job zu bekommen.
Bei Frauen ist es sowieso ganz anders, die haben ja noch ganz andere Möglichkeiten Geld zu verdienen – oder Politik zu machen, wie ich heute im Spiegel las:
Charlotte Roche ist eine Meisterin der Provokation und erklärte Atomkraftgegnerin – nun macht sie Christian Wulff im SPIEGEL ein unmoralisches Angebot: Sex dafür, dass der Bundespräsident den Atomvertrag nicht unterzeichnet.
Ich weiß nun nicht, wer Charlotte Roche ist, aber die Methoden der Anti-Atom-Bewegung haben sich seit meiner Zeit sehr verändert. Wir haben früher … andere Angebote gemacht. „Atomkraft nein Danke“ wirkt auch irgendwie souveräner als Prostitution für den Ausstieg. Wenn allerdings dieses Geschäftsmodell durch Medienvorbilder gesellschaftsfähig ist, wird die ARGE in Zukunft ganz andere Möglichkeiten für Ein-Euro-Jobs haben – und die Industrie würde in Folge auch ganz andere Möglichkeiten haben, mit dem Scheckbuch Politik zu machen … also, eigentlich wie jetzt nur dann ganz offen.
Das von Peter Sloterdijk beschriebene Programm der Bürgerausschaltung scheint sehr gut zu funktionieren, vor allem im Großhirnbereich.
Kaum auszuhalten, was auf uns zukommt (und später dann wieder peinlicherweise in allen Geschichtsbüchern stehen wird) wenn diese Entwicklung so weitergeht.
Aber ich denke, wenn es soweit kommt, dann muß man dem Londoner Bürgermeister recht geben und der Entwicklung am SUV-Markt Rechnung tragen … hier wird ein Volk von Idioten gezüchtet, die mit Geländewagen Hochgeschwindigkeitsrennen fahren wollen – und bald vielleicht auch mit hochgezüchteten Treckern an der Formel Eins teilnehmen möchten.