Als wenn wir nicht selbst wüßten, das Mediengenuß Terror ist. Zumindestens Psychoterror. Ein Beispiel? Gut, hier, bei Telepolis
Während Hartz-IV-Bezieher damit rechnen müssen, dass Kontrolleure sogar in ihren Kühlschrank blicken, um potentiellen Missbrauch aufzudecken, dürfen Wohlhabende in Deutschland in puncto Steuerzahlungen mit einem rücksichtsvollen und nachlässigen Vorgehen des Staates rechnen – und dass, obwohl dem notleidenden Fiskus damit dreistellige Milliardensummen entgehen. Dabei offenbaren die Besserverdiener in Sachen Steuerhinterziehung olympischen Ehrgeiz und ungeahnte anarchistische Energien. Ein Interview mit Kim Otto, der sich mit seinem Kollegen Sascha Adamek für das Buch
„Schön Reich – Steuern zahlen die anderen“ investigativ dem Thema widmete.
Das sind Nachrichten, die früher dazu geführt hätten, das die Dorfbevölkerung mit Mistgabeln das Schloß des Blutsaugers stürmt … jedenfalls im Film. Heute treiben diese Nachrichten nur den Blutdruck hoch und richten dadurch Schaden an. 100 Milliarden entgehen dem Staat so jedes Jahr – wir bräuchten uns die Schandgesetzgebund Hartz IV gar nicht antun, hätten genug für alle. 100 000 Millionen Euro – würde für ein kleines Grundeinkommen ausreichen und wir wären wieder ein Land, das hoffnungsfroh in die Zukunft blicken kann.
Was gibt es stattdessen? Die Vernichtung des Bauernstandes, wie dem Spiegel auffiel:
Zwischen Ostsee und sächsischer Schweiz sind die Preise für Wald, Acker und Weiden massiv gestiegen, zum Teil um bis zu hundert Prozent. Im großen Stil kaufen sich nun millionenschwere Fondsgesellschaften ein sowie branchenfremde Konzerne und vermögende Privatleute, die ihr Vermögen diversifizieren wollen. Kleine und mittelständische Bauern wie Beer klagen deshalb lautstark über die jüngste Bodenreform. Hieß es bei der Zwangsenteignung in der DDR noch „Junkerland in Bauernhand“, fürchten sie nun das Großkapital. Motto: Bauernland in Bonzenhand.
So führt die steuerliche Umverteilung von Unten nach oben langsam auch wieder zu altbekannten Feudalstrukturen im Alltag, nur sind es jetzt seelenlose Großkonzerne, die lieber Land kaufen statt Steuern zahlen … eine Einwicklung, die auch weltweit so anhält. In Afrika zum Beispiel erwartet man aufgrund der gleichen Entwicklung – Land Grabbing genannt – eine Katastrophe nach der anderen – laut Le Monde diplomatique:
Genau das passiert derzeit auf dem afrikanischen Kontinent, wenn sich ausländische Investoren das Land, die Wasservorräte und die überlebensnotwendige Biodiversität der afrikanischen Fauna und Flora unter den Nagel reißen. Als Folgen des hemmungslosen land grabbing drohen Umweltkatastrophen, politisch und sozial chaotische Verhältnisse und Hunger.
Was bleibt für uns? Eine kleine Lüge am Rande. Gestern konnten wir noch zusammen mit Brüderle und von der Leyen auf den Tischen tanzen, und die Vernichtung der Massenarbeitslosigkeit feiern, heute läßt der Spiegel diese Eintagsfliege wieder platzen:
Zwar steigt die Zahl der Menschen, die überhaupt arbeiten gehen, seit Monaten. Das ist positiv für eine Volkswirtschaft. Nur boomen vor allem geringfügige und unsichere Formen der Beschäftigung. Es gibt rund fünf Millionen Deutsche, die zum Beispiel einen 400-Euro-Job haben. Mehr als 2,2 Millionen verdienen sich mit einem Mini-Job etwas dazu.
Und wer eine vermeintlich feste Anstellung findet, landet immer öfter bei einer Zeitarbeitsfirma. Die Branche feiert derzeit einen Rekord nach dem anderen. 900.000 Deutsche arbeiten trotz der wirtschaftlichen Erholung nur dann, wenn sie gerade gebraucht werden.
Hinzu kommt: Viele Menschen tauchen überhaupt nicht in der Statistik auf – obwohl sie de facto arbeitslos sind. Fast 1,5 Millionen Deutsche befanden sich zuletzt in staatlicher Beschäftigungstherapie. Sie arbeiteten als Ein-Euro-Jobber, waren in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder machten irgendeine Qualifizierung. Das Gros dieser Menschen empfindet sich als arbeitslos – ist es nach amtlicher Lesart aber nicht.
Aus der Traum vom Jobwunder. Alle Artikel, alle Berichte, alle Interviews dazu – nur Show. Und man selbst ist dem hilflos ausgeliefert – wiewohl es Folgen hat, wie immer, wenn man einer Bedrohung ausgeliefert ist, sie aber weder bekämpfen noch vor ihr flüchten kann. Es nützt wenig, auf das Westerwelle-Bild im Fernseher Eier zu werfen, noch bringt es sonderlich viel, sich vor ihm hinter dem Sofa zu verstecken.
Die großen Unternehmen haben diesen versteckten Sicherheitsstaat und das politische System so sehr durchdrungen, dass sie den gesamten angehäuften Wert der Teilnehmer mitnehmen. Die internationalen Medien sind ein Desaster. Wir sind in einer guten Position um politisch und historisch relevantes Material zu bekommen. Wir veröffentlichen es und sehen, welche Medien ein Echo geben und mit wie viel Ernsthaftigkeit. Wir sehen außerdem die Anstrengung, mit der die Informationen, die wir geben, unterdrückt werden. Mein Fazit ist, dass das Umfeld der internationalen Medien so schlecht und verzerrt ist, dass es uns besser gehen würde, wenn es keine Medien geben würde.
Wovon er sonst noch spricht – das will man auf seinem Sessel gar nicht wissen. Er macht die Erfahrung, die alle machen, die versuchen, hinter die ausgewogenen Seifenblasen der öffentlich-rechtlichen und privaten Medien zu schauen: man sieht eine Welt, die man nicht wahrhaben möchte, deren Existenz aber viele Verzerrungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik erklärt.
Es gibt zwei Dinge, die mir einfallen. Das erste ist der Tod der Zivilgesellschaft. Schnelle Finanzströme über elektronische Überweisungen, die schneller sind als politische oder moralische Sanktionen und die die Zivilgesellschaft auf der ganzen der Welt zerstören. Die Wirtschaftsmacht erlaubt Opportunisten in jeder Gesellschaft, die an das globale Finanzsystem angeschlossen sind, Reichtümer auf unmoralische Weise zu erlangen und diese mit dunklen und schwer aufzuspürenden Finanzmechanismen an weit entfernte Orte zu bringen. In diesem Sinne ist die Zivilgesellschaft tot, sie existiert nicht mehr und es gibt eine große Klasse von Leuten, die das weiß und davon profitiert.
Der Tod der Zivilgesellschaft. Das letzte Aufbäumen der alten Republik gegen die Herrschaft der Korporatokratie, der Herrschaft der Konzerngesamtheit, eingebettet in den melodischen Singsang des Infotainment. Draußen alles düster aber bei uns alles rosa. Darum heißt Land Grabbing in Ostdeutschland nicht Land Grabbing. Hier ist Rosadeutschland, da gebraucht man nicht so dunkle Wörter – noch nicht mal in Ostdeutschland.
Die zweite Sache, die ich gesehen habe, ist, dass es einen enormen und wachsenden versteckten Überwachungsstaat gibt. Der versteckte Sicherheitsstaat, der sich über das westliche Imperium ausbreitet, hat sein Gravitationszentrum in den USA. Die wirtschaftliche Macht der USA ist seit den 1990er Jahren um 250 bis 300 Prozent gestiegen, trotz des Kollapses des Finanzsystems. Um ein konkretes Beispiel zu geben, und hier zitiere ich Dana Priest, die zweifache Pulitzerpreisträgerin von der Washington Post: Es gibt 817.000 Personen, die in Top-Secret-Angelegenheiten beschäftigt sind.
Viele Seltsamkeiten der Medienwelt erklären sich so einfach und logisch – auch warum sich die Welt von dem Weg zu immer mehr Freiheit, mehr Demokratie, mehr Wohlstand für alle abgewandt hat. Da es aber ein breitflächiges Verschwörungstabu gibt, das von Parteien, Gewerkschaften und Kirchen getragen wird, werden wir nie mehr eine Chance haben, uns aus dem offiziellen Meinungsdunst zu befreien und uns selbst ein Urteil zu bilden. Einen versteckten Überwachungsstaat herauszufinden ohne erstmal Theorien zu bilden, wird schwierig.
Darum ist es sicherer … auf der Couch zu bleiben. Allerdings – ist das auch lebensgefährlich, jedenfalls für Männer, wie die Welt berichtet:
Deutschlands Männer sind kränker als gedacht
Kaum zu glauben, aber neuesten Gerüchten zufolge haben auch Männer eine Psyche, die durch Medienterror in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Wir marschieren offenen Auges und wohlgefüttert in eins der düstersten Kapital der Menschheitsgeschichte. Kein Wunder, das niemand darüber reden will. Dabei muß man sich einfach nur mal die Frage stellen: wieviel Menschheit braucht die Korporatokratie, wieviel ist sie bereit, zu bezahlen.
Sie braucht 10 % der Bundesbürger, Tendenz fallend. Der Rest ist Ramsch. Diese zehn Prozent macht man mit Steuergeldern reich, der Rest darf bis zur Rentenkürzung auf Null zahlen. Danach darf er dann Eigenverantwortlichkeit beweisen.