Es gibt Themen, bei denen man nahezu wirklich an der Menscheit verzweifeln kann – aus vielen verschiedenen Perspektiven heraus. Esoterik ist eins dieser Themen – und Faschismus ein anderes, wobei letzteres auch real meßbare politische Folgen für die offene Zivilgesellschaft hat. Aber – kümmern wir uns erstmal um die Begriffe und nehmen heute mal Wikipedia als Definitionsgrundlage – damit auch alle über das Gleiche reden:
Esoterik (von altgriechisch ἐσωτερικός: esōterikós: „innerlich“) ist in der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs eine philosophische Lehre, die nur für einen begrenzten „inneren“ Personenkreis zugänglich ist – im Gegensatz zu Exoterik als öffentlichem Wissen. Andere traditionelle Wortbedeutungen beziehen sich auf einen inneren, spirituellen Erkenntnisweg, etwa synonym mit Mystik, oder auf ein „höheres“, „absolutes“ Wissen. Daneben wird der Begriff in freier Weise für ein breites Spektrum verschiedenartiger spiritueller und okkulter Lehren und Praktiken gebraucht.
Esoterik war also eigentlich mal … eine philosophische Lehre – die man nicht an die große Glocke gehängt hat. Später haben gewiefte Geschäftemacher die große Glocke gefunden und geschwungen – was im Folgenden auch nicht für gut geheißen wurde. Doch klären wir erstmal den Begriff des „Faschismus“.
Faschismus (italienisch fascismo) war ursprünglich die Selbstbezeichnung jener rechtsgerichteten Bewegung, die Italien unter Benito Mussolini von 1922 bis 1943 beherrschte (→ Italienischer Faschismus). Schon in den 1920er Jahren weiteten Gegner dieser Bewegung den Begriff auch auf andere rechtsradikale, autoritäre, totalitäre und nationalistische Regimes, Diktaturen und politische Gruppen aus, besonders auf den deutschen Nationalsozialismus (siehe dazu Zeit des Nationalsozialismus). Der Begriff bezeichnet dann auch die von solchen Regimen und Tendenzen geprägte Epoche der Geschichte Europas von 1918 bis 1945.[1]
Somit haben wir zwei Begriffe, die augenscheinlich nichts miteinander zu tun haben. Das eine ist die innere Auseinandersetzung mit dem Leben, der Welt, mit Themen wie Geburt, Tod, Leiden, Sterben und dem Sinn des Lebens, das andere ist eine zentralistische antidemokratische Regierungs- und Politikform.
Wie Faschismus praktisch aussieht? Mahnwachen, Menschenjagden auf Andersdenkende, „Kauft nicht bei Juden“ – wir kennen das. Und das gab es in Deutschland im Jahre 1996, unter der Fahne der Grünen Jutta von Ditfurth, so Wilhelm Ritter zitiert bei Homo Magi:
Schlimm war, daß auf einmal vor dem Esoterik-Laden “Mahnkerzen“ für die vergasten Juden brannten. Schlimm war, daß mit einem Plakat “Faschismus und Esoterik – Hand in Hand“ über zwei Stunden ein Laden blockiert wurde. Schlimm war, daß ohne vernünftige Recherche Vorwürfe in die Welt gesetzt wurden, die man eigentlich nicht aufrechterhalten kann. Und schlimm war, daß diejenigen, die sich eigentlich Aufklärung auf die Fahnen geschrieben haben, die Aufklärung verraten haben.
Hitlers Meinung zur Esoterik ist bekannt und wird in dem Zusammenhang gerne ignoriert. Paßt gerade nicht ins Menschenbild der neuen Menschenjäger:
Dazu kommt noch, dass Hitler zutiefst misstrauisch den völkisch-okkulten Gruppen gegenüber stand. auch wenn einige führende Nationalsozialisten die okkulten Gedanken für sich reklamierten (z. B. Alfred Rosenberg und Heinrich Himmler), so waren die grundlegenden Vertreter dieser Denkrichtung für Hitler bereits in “Mein Kampf“ ein Haufen von Wirrköpfen – das Wirksamwerden der Neogermanen in der Partei schloss er daher später ausdrücklich aus: “Das Einschleichen mythisch veranlagter okkulter Jenseitsforscher darf daher in der Partei nicht geduldet werden“ (Adolf Hitler, Rede auf dem 10. Parteitag der NSDAP am 7.7.1938. Zit. nach Hieronimus 1986: 256).
Die „mythisch veranlagten okkulten Jenseitsforscher“ waren als die Führer der Deutschen Faschisten suspekt, er wollte sie nicht in seiner Partei haben. Das hindert natürlich nicht eine kleine Gruppe von Wahrheitspächtern, trotzdem Faschismus und Esoterik in einen Topf zu werfen … und zwar in dem gleichen Artikel, in dem Hitlers Meinung dazu zitiert wurde: Andreas Klump, Referent im Bundesministerium des Inneren, Berlin.
Es bildet sich eine geschlossene Gemeinschaft im Kampf gegen „Esoterik“. Hitler, das Bundesinnenministerium, Jutta Dithfurt, die Kirchen (in alter Tradition, Hexen gehörten schon immer auf den Scheiterhaufen) und letztlich: die „Linken“, hier bei fen-net:
Angesichts der ausufernden Esoterik-Bewegung wurde die Frage nach Gegenstrategien der Linken laut. Eine Antwort fiel JD nicht leicht. Sie forderte die intensive Auseinandersetzung von „echten“ Linken und ihren esoterisch verblendeten GenossInnen. Dies müsse notfalls soweit führen, daß „unbelehrbare“ aus linken Zusammenhängen ausgeschlossen werden.
Wichtig sei aber auch, daß sich linke Gruppen zuerst mit der Thematik auseinanderzusetzen hätten, um eine solide argumentative Basis gegen die EsoterikerInnen zu haben. Vielfach werde das Ausmaß der Bedrohung libker Werte und Ziele gar nicht erkannt. Sogar Menschen, die ein „linkes“ Selbstverständnis haben, sind nicht vor der Gefahr gefeit, durch ihr esoterisches Tun rechte Ziele unterstützen.
„Notfalls müssen Unbelehrbare ausgeschlossen werden“. Die Linke als weltanschauliche Sekte – aber sich sektenkritisch geben. Nun, Stalin hat gezeigt, das Linke nicht unbedingt antifaschistisch sein müssen, das Sowjetregime unter seiner Führung war nicht menschenfreundlicher als der deutsche Faschismsus und „Linksfaschismus“ ist längst kein Fremdwort mehr. Ich kann auch mit Marx und Darwin in der Hand ein faschistisches System errichten … was die Geschichte schon bewiesen hat.
Da zweifelt man leicht an dem Verstand der Menschheit. An dem des Bundesinnenministeriums sowieso:
Inwieweit sich dieses heutige esoterische Potential dem gesamten (esoterischen) Rechtsextremismus in all seinen Wechsel- und Wirkungsbeziehungen öffnen kann bzw. politisch mobilisierbar ist, erscheint von dieser Stelle aus noch unklar. Ob daraus letztlich auch politische Aktivitäten erwachsen können, muss hier ebenso noch offen bleiben. “Eher ist aber weniger davon auszugehen“, so der Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber (1999: 85), “da die esoterisch Eingestellten auf die eigene Innerlichkeit und weniger auf die politische Gesellschaft fixiert sind. Gleichwohl wächst hier ein antiaufklärerisch und antidemokratisch eingestelltes Personenpotential heran.“
Esoteriker sind von sich aus unpolitisch. Blendet man mal die Geschäftemacher aus (die aber als solche auch Kirchen, Verbände, Parteien und Vereine in Verruf bringen, auf die hat die Konsumesoterik kein Monopol), so gilt wohl eher folgendes:
Konkreter ausgedrückt: Primär dürften “die“ Esoteriker zunächst unpolitisch eingestellt sein; ihre Anschauungen und Haltung drücken eher den Zustand einer gewissen “Entpolitisierung“ aus (vgl. Ewald 1996: 5; 1996a). D.h., aus einer quasi-individualistischen Perspektive wird das Erleben des kollektiven Bewusstseins unter Ausblendung von strukturellen Wirkungs- und Entfaltungs- möglichkeiten der kulturellen Moderne angestrebt – aber schon mit Blick auf eine transformierte Gesellschaft in diesem Sinne.
Der „Sonnenstaat“ der Esoterik (noch nie gehört, den Begriff, aber das Ministerium wird schon wissen, wovor es warnt) mag die Utopie der frommen Beter sein, aber seine politische Methodik ist nicht faschistisch. Den Staat zu ändern, in dem man den Menschen ändert ist eine zutiefst demokratische Form der Politik. Ganz anders nennt man die Politik, die von Vorurteilen geprägt ist, Lügen und Legenden verbreitet, qualitativ minderwertige Urteile abgibt und autoritäre Strukturen bevorzugt: Strukturen, in denen man die Gegner durch sanfte Gewalt wie Mahnwachen, Beschneidung der Bewegungs- und Geschäftsfreiheit und Mobbing nervlich zur Aufgabe zwingen will.
Mir scheint, der Satz des Nazis Rosenberg: wenn es die Juden nicht gegeben hätte, hätten wir sie erfinden müssen, trägt eine schreckliche Wahrheit in sich.
So erfindet nämlich heute jeder seinen eigenen Juden: die Raucher, die Arbeitslosen, die Esoteriker… alles schön schwammige Begriffe, die an harmlosen Äußerlichkeiten festgemacht werden, aber aufzeigen, das im Inneren dieser äußeren Erscheinung ein unglaublich schlechter Mensch steckt, den es … letztendlich … zu vernichten gilt. Ja – zu vernichten. Wenn er nicht einsichtig ist….dann kommt er ins antiesoterische Umerziehungslager wo ihm das „richtige“ Weltbild so lange eingetrichtert wird, bis er zugibt, es zu glauben, genauso wie die Volksschädlinge von 1933-1945 in Umerziehungslager gesteckt wurden, dort wird man ihm das Rauchen, die Arbeitslosigkeit oder den Antimaterialismus schon austreiben.
Das Menschen mit diesen Methoden sich dann noch als Spitze der Aufklärung und Revolution darstellen müssen, demonstriert die vollendete Verblödung detalliert.
Völlig daneben ist es, wenn in das gleiche Paket auch noch „Verschwörungstheorien“ eingepackt werden … aber so entsorgt und tabuisiert man sie natürlich ganz elegant und kann weiterhin sein eigenes Süppchen kochen und eine politische heile-Welt-Stimmung der Extraklasse verbreiten, in dem alle Politiker, Manager und Funktionäre nur aus reiner Menschenfreundlichkeit heraus agieren und nur durch den bedauerlichen, alternativlosen Sachzwang Menschen verhartzen müssen.(Die weinen fast, wenn die das machen müssen. Ehrlich, von der Leyen war den Tränen nahe, als sie sehen mußte, das der Sachzwang den Kinder noch weniger geben wollte.)
Das es für Freiheit und Demokratie in einer totalitären Struktur schon ein Gewinn ist, sich selbst Räume der Ruhe und der Manipulationsfreiheit, der Besinnung und des inneren Friedens zu schaffen, weiß man in der Theorie der Psychologie … die aber wohl auch schon „esoterisch“ ist. Die „innere Emigration“ war in Nazideutschland ein Begriff dafür. Wenn also heute das Bundesministerium für Inneres, die Kirche, die Linken und Jutta von Ditfurth die Esoterik verbieten wollen … was wollen sie damit wirklich erreichen?
Dem Faschismus den Boden unter den Füssen wegziehen? Mitnichten – sonst würden sie nicht seine Methoden anwenden, Argumentationsketten und Sophistereien, mit denen der „Stürmer“ seinerzeit gegen „die Juden“ gewettert hatte.
Was sie wollen ist … ihre „Haltequote“ erhöhen.
Ein schöner Begriff aus einem Aufsatz der antifa-frankfurt, der sich mit der Theorie auseinandersetzt, das viele Kommunisten erfolgreiche Faschisten geworden sind (ähnliches finde ich übrigens auch in der Streitschrift eines „Rechten“ über den „linken Etikettenschwindel„).
Kirchen, Staat und Gesellschaft geht es um die Haltequote – das wäre plausibel. Darum gibt es die Gedankenpolizei, die Gesinnungsblockwarte, die durch die Welt der Meinungen reisen und nachschauen, ob auch alles schön systemkonform ist.
Systemkonform ist die Esoterik nicht. Überhaupt nicht, die Menschen, die sich ihr zuwenden (und dort in den allermeisten Fällen in den Fängen skrupelloser Geschäftemacher landen) suchen ja gerade einen Weg aus dem System heraus. Das stört alle diejenigen, die an dem System hervorragend verdienen: den Pfarrer, den Revolutionär, den Manager, den Parteifunktionär. Die Herrscherkasten der Moderne.
Wäre die Gesellschaft, die sie uns präsentieren können, ein Paradies – oder wenigstens erkennbar auf dem Weg dorthin – so könnte ich ihre Kritik an Esoterik sogar teilen. Ist sie aber nicht, unsere Gesellschaft bewegt sich (getrieben von Grünen, Linken, Kirchen, Rechten, Managern, Politikern, Parteifunktionären) geradewegs auf einen Kollaps zu, es ist nur die Frage, was kollabiert zuerst: die Umwelt oder die Wirtschaft – oder erlauben wir uns einen Ausbruch irrationalen kollektiven Wahns wie in Ruanda und schlachten all die bösen Esoteriker, Raucher, Arbeitsscheuen einfach mal 100 Tage lang ab, als reinigendes Gewitter der Weltvernunft, sozusagen?
Kein Wunder das die Kriegsgewinnler dieser Entwicklung auf die Barrikaden gehen, wenn die Menschen das Land verlassen … was manche, wie auch schon 1933-1945 … nur nach innen können, weil sie weder die Jugend noch die Finanzkraft haben, sich außerhalb ein sicheres Plätzchen zu suchen.
Aus der gleichen Argumentation heraus möchte man ja auch die Ausländerintegration vorantreiben … nur geht es nicht um die Ausländerintegration, es geht „gegen den Islam“ – seien wir da doch wenigstens mal ehrlich. Wir haben drei moslemische Familien im Umfeld … alles gebürtige Deutsche. Die WOLLEN sich nicht integrieren, die haben den Fernseher absichtlich abgeschafft. Die WOLLEN ABSICHTLICH RAUS HIER! Aus guten Grund. Ihr Kategoriensystem ist ein anderes, aber ihre Werte sind diesselben: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – letztlich Werte die durch die christliche Botschaft ins abendländische Denken eingeflossen sind und vor allem in der Philosophie auf fruchtbaren Boden stießen.
Im Unterschied zum Philosophen und Bürgerrechtler hofft der Moslem auf göttlichen Beistand … den man angesichts der Dimensionen der Irrationalität im politischen Geschehen gut gebrauchen könnte. Aber es wäre nicht weise, sich nur darauf zu verlassen.
Was der Esoteriker politisch tut, ist ebenfalls sehr demokratisch: durch sein privates Weltbild wagt er es, sich der Autorität der Experten zu entziehen. Wir haben aber keine Expertendiktatur, wir wollen keine Expertendiktatur und brauchen keine Expertendiktatur, auch wenn da führende Experten anderer Meinung sind.
Was viele von ihnen können ist: ruhig, gelassen und tolerant im Umgang mit Dingen von dieser Welt seien. Ihr Reich ist nicht von dieser Welt. Das entspannt und paßt überhaupt nicht zur zackigen, autoritären Faschismusfigur, die ein materialistisches mechanisches Weltbild zum Aufbau ihrer „Sachzwänge“ braucht.
Was empfiehlt John Perkins, der Autor der „Bekenntnisse eines Economic Hitman“ als eine von vielen Widerstandsformen gegen die Korporatokratie?
Meditieren statt konsumieren.
Das trocknet die neuen Herren des Universums nebenbei von innen heraus aus, ohne zusätzlich die Umwelt zu zerstören. Aber das stört die Haltequote. Dem Führer laufen die Schafe davon … und das das schlimm ist, da sind sich alle einig.
Außer den Schafen.
Darum haben Esoterik und Faschismus wenig miteinander zu tun, aber in der Feindschaft zur „Schublade Esoterik“ formiert sich der fanatische Mob, der viel eher zum Faschismus neigt als der Astrologe, der Zen-Buddhist, der Naturmystiker, der UFO-Enthusiast, der Kryptozoologe, der Verschwörungsanalytiker… der irgendwie ANDERE halt.
Und wer hält nochmal den „irgendwie ANDEREN“ für generell … verdächtig?
Adolf Hitler zum Beispiel. Und alle, die gerne so wären wie er und dafür viele Mitläufer brauchen und sich fürchterlich darüber echauffieren, das die Esoterik ihnen die Mitläufer stiehlt.