Satire und Wahrheit

Ich bin ein Raubtier.

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Heute mittag war es wieder soweit.

In unserer Kantine wurde ein Möhreneintopf angeboten und ich liebe Möhreneintopf. In Preis und Eintopf inbegriffen waren 5 (fünf) Rinderhackfleischbällchen.

Fünf.

Der Jagdtrieb war geweckt.

Ich griff mir also ein Tablett, stellte die leere Suppenschale darauf und pirschte mich an den großen Topf mit dem Eintopf. Daneben befand sich der mit den Fleischbällchen. Wie nicht anders zu erwarten, lagen dort dutzende bevorratet und warteten auf Hungrige.

Ich sicherte nach allen Seiten. Der Feind, eine bekittelte und behaubte Serviererin, duckte sich gerade nach einem größeren Stapel mit weiteren, leeren Suppenschalen und schien abgelenkt.

Zwei weitere Kollegen, ebenfalls mit Suppenschalen bewaffnet, bildeten sofort und instinktiv ein Rudel mit mir – es wurde ernst. Der eine flankierte mich westlich und hielt Ausschau nach weiteren Kittelfeindinnen und der andere verwickelte die zweite Hackbällchenverteidigerin in ein kompliziertes Gespräch über Blattsalate.

Der Moment war günstig. Ich nutzte die Tarnung des Dessertstandes, schlich mich zum Tresen und lupfte mit geschicktem Griff und ohne jedes Geräusch den Suppentopfdeckel. Es musste schnell gehen. Ein, eineinhalb Kellen Suppe – platsch – platsch – das musste reichen. Dann, kurz in die Runde gesichert, fuhr die Schaumkelle tief zwischen die Fleischbällchen und hieb vier Stück in die Suppenschale auf meinem Tablett.

Aber das, das hätte jeder gekonnt.

Fast zu schnell für das menschliche Auge, fuhr die Kelle erneut zwischen die köstlichen Bällchen und entnahmen dem Top weitere drei Stück. Sofort drückte ich zwei der Bällchen in die sichere Deckung des Eintopfes hinunter – es waren nur noch genau fünf sichtbar.

Die Kollegen gaben sichtlich erleichtert die Deckung auf. Ich verwickelte die eine Kittelfeindin jetzt meinerseits in ein Fachgespräch über Joghurts und der zweite schüttete sich verzweifelt eine halbe Tasse Kaffee über sein Oberhemd, um die zweite Kittelfeindin noch von der Besetzung des Hackfleischbällchentopfes abzulenken. Somit gelang auch dem dritten Kollegen der Coup und auch er entnahm mehr Bällchen als ihm eigentlich zugestanden waren.

Hoch befriedigt ging ich mit meinem Möhreneintopf und den fünf offensichtlichen wie den zwei geschickt versteckten Hackfleischbällchen zur Kasse.

Die Kassiererin grinste mich breit an.

„Eigentlich kann sowieso jeder sieben haben.“ sagte das Miststück fröhlich.

„Aber das Zusehen macht so Spaß und es erhält Sie gesund.“

Ich stutzte.

„Naja,“ sagte sie achselzuckend, „im Zoo macht mans mit Raubtieren doch genauso.“

Als wenn ich ein Tier wär!

© 2010 Echsenwut.



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