Eigentum ist Diebstahl, legitimierte und vererbbare Räuberei. Das hatten wir unlängst. In dem Zusammenhang kam die Frage auf: was ist denn mit dem geistigen Eigentum?
Nun, geistiges Eigentum kann schon mal kein Diebstahl sein, noch legitimierte und vererbbare Räuberei. Ich kann zwar Materie gewordene Vervielfältigungen des geistigen Eigentums (Bilder, Bücher, Filme, Schallplatten) stehlen, aber die Quelle selbst nicht.
Ursprünglich gab es kein geistiges Eigentum – was daran lag, das die Krämerseelen nichts zu verkaufen hatten noch die Macht, Zugänge zu verhindern. Heute ist es ein Riesenthema und man fragt sich: warum?
Fangen wir ganz von vorne an. Was braucht der Mensch zum Überleben? In erster Linie Wärme. Dann Nahrung (die, genau genommen, ebenfalls Wärme bedeutet) Möglichst ausgewogen inklusive Getränk. Da das nicht vom Himmel fällt, muß man es suchen oder jagen – je nach Einstellung zum Mitgeschöpf. Beides ist mit ARBEIT verbunden, weshalb man fairerweise auch das EIGENTUMSRECHT erfand. Wenn jemand den ganzen Tag fleissig gesammelt hatte, dann sollte er auch was davon haben – aber nie für sich allein. Wenn jemand das Glück hatte einen ganzen Heidelbeerberg zu finden, dann macht es auch wenig Sinn, wenn er die alle allein ißt. Das gibt Bauchschmerzen … und jede menschliche Gesellschaftsform (außer unsere Leistungsträger und die momentane Regierung der BRD) weiß, das es unanständig bzw. unsinnig ist, sammelunfähige Menschen verhungern zu lassen. Im Alter ist man selbst auf Hilfe angewiesen und die Kinder … sind Zukunft.
Niemand jedoch würde unserem Heidelbeersammler alles wegnehmen wollen, noch hätte wohl jemand etwas dagegen, das er sich kugelrund an Heidelbeeren frißt….Bonuszahlungen gab es schon damals.
Doch schon hier … beim Eigentumsrecht … bekommen wir erste Probleme. Wie kann jemand das Eigentum an Land beanspruchen? Das Land war schon da, bevor es Menschen gab – und es wird da sein, nachdem der letzte Mensch gestorben ist. Gleiches gilt für die Früchte des Waldes, sie wuchsen schon, bevor die Natur überhaupt an Menschen dachte. Man sieht also, wie der Rechtsanspruch von Großgrundbesitzern wie der Familie Guttenberg begründet ist: gar nicht. Es ist Raub. Anders als die Früchte seiner Arbeit (das Faß, die Harke, das Brot) hat der Großgrundbesitzer sein beanspruchtes Eigentum nicht aufgrund von Arbeit erworben. Land war vorher da – manches war weniger fruchtbar, manches war sehr fruchtbar und es ist genug davon da, zwölf Milliarden Menschen zu ernähren – sagt die UNO. Er hat vielleicht etwas angepflanzt, aber gewachsen ist das von ganz alleine. Eine Bonuszahlung könnte man dem fleissigen Pflanzer also ohne weiteres gewähren, aber Eigentumsrechte … an Land, Nahrung, Tierwelt? Da fing die Kirche ganz schnell an zu schreien, denn nur der Schöpfer kann das als Eigentum für sich beanspruchen.
Im Laufe der Zeit haben wir Arbeit aber geteilt. Mehr als zuvor. Wir wurden reich, unermesslich reich sogar. Wir konnten es uns erlauben, wandernde Sänger zu unterhalten, Menschen, denen die lebensnotwendige aber stupide Feldarbeit zuwider war und die gelernt hatten, das man auch anders durchs Leben kommen kann. Der erste Sozialschmarotzer war geboren. Heute ist er Model, Rockstar, Prostituierte, Autor, Journalist…. und was die Zeit sonst noch alles hervorgebracht hat. Unser einfacher Barde jedoch lebte ganz gut – wenn er von Dorf zu Dorf zog seine Geschichten erzählte und seine Lieder sang. Was aber nun, wenn er fortzog und die Dorfbewohner seine Lieder weitersangen? Waren sie nicht sein Eigentum? Doch …. wenn er nicht gewollt hätte, das andere sie singen, dann hätte er sie ja für sich behalten können. Der väterliche Hof wartet bereits auf seine helfende Hand. Andererseits … was ist mit den Geschichten aus anderen Dörfern, die er erzählt. Gehören die nicht den anderen Menschen? Immerhin ist es ihr Leben? Wir kommen in Gebiete, wo der Auslandskorrespondent den Diktator bezahlen muß, da die Geschichte des Militätputsches ohne ihn nicht existieren würde. Autounfall auf der A44? Bericht nur gegen Bargeld an die Beteiligten.
Parlamentsdebatten wären aber gratis. Die haben wir schon bezahlt … und sind sowieso umsonst.
Es wird schwierig mit dem „geistigen Eigentum“ … und nie hätte es jemanden gekümmert. Sokrates und die Philosophen der Antike waren stolz, das sie ihr Eigentum teilen durften, jeder Musiker freut sich über den Applaus der Menge. Geistiges Eigentum macht einen zu einem so reichen Menschen, das man keinerlei Geld mehr braucht, um glücklich zu sein. Was man aber auch braucht ist: Wärme. Und leider sind die Zeiten so, das die Krämerseelen nun alles vermarkten wollen. In ihrer widernatürlichen und perversen Sucht nach immer größeren Zahlen auf virtuellen Konten plündern sie alles aus, was man nur ausplündern kann….und darum müssen wir nun zur Klärung der Eigentumsrechte noch etwas tiefer graben, denn mir dünkt: je tiefer wir graben, umso weniger Wasser haben die Krämer auf ihren Mühlen.
Wir kommen hier in der Tag in die tiefsten Tiefen von Philosophie, wobei wir Religion und Mystik streifen – wir sind bei den Erkenntnistheorien angelangt. Erst wenn ich weiß, wie ein geistiges Objekt erworben wurde, kann ich gerechterweise über das Eigentumsrecht entscheiden.
Newton fiel ein Apfel vom Baum, er hatte eine Erkenntnis. Beethoven konnte am besten komponieren, wenn ein fauliger Apfel neben ihm lag. Philosophen beschreiben das Problemfeld wie folgt:
Überlegungen der Erkenntnistheorie setzen sich mit gängigen Wissensbeständen, der Wissenschaftstheorie, den benachbarten Feldern der Philosophie, wie etwa der Metaphysik oder der Ethik sowie mit der eigenen erkenntnistheoretischen Diskussion auseinander. Betrachtete Erkenntnisvorgänge sind etwa Sinneswahrnehmung, logische Schlussfolgerung, Modellannahme mit Versuch und Irrtum, Erkenntnis derWahrheit durch Offenbarung und Reflexion angeborener Ideen und Kategorien. Typische Fragestellungen etwa: Können wir die Existenz materieller Gegenstände beweisen? Ist ein Satz wie „du sollst nicht töten“ auf ähnliche Weise „wahr“ wie eine Beobachtung aus der Astrophysik? Gibt es einen Beweis für die Existenz eines transzendenten Bereichs von Dingen, die sich der sinnlichen Wahrnehmung entziehen, wie etwa einLeben nach dem Tod oder Gott?
Konkrete Wissensbestände werden oft nur als Beispiele benutzt, um an ihnen grundsätzliche Annahmen zu diskutieren. Erkenntnistheoretische Diskussionen entwickeln gesellschaftliche Sprengkraft, wo immer sie Aussagen mit grundlegendem Wahrheitsanspruch in Frage stellen, wie z. B. im Fall des Positivismus oder des Induktionsproblems.
Es ist zum Teil eine Leistung der philosophischen Erkenntnistheorie, die naturwissenschaftliche Erkenntnis neben der theologischen für valide, wenn nicht universeller erklärt zu haben. Durchbrüchen in den Naturwissenschaften wie etwa der Relativitätstheorie gingen erkenntnistheoretische Erwägungen voraus. Aktuelle Fragen wissenschaftlicher Forschung sind noch immer zentral erkenntnistheoretisch: Können Computer übersetzen, falls sie Sprache nicht wirklich mit einem eigenen Bewusstsein verstehen können? Können sie denken und Bewusstsein entwickeln? Die Antworten hängen von grundsätzlichen Fragen der Erkenntnistheorie ab: Was ist Wissen? Woran erkenne ich, dass jemand mit Wissen über Gegenstände spricht, mit Erkenntnis?
Man merkt: ein enorm wichtiges Feld, das Menschen in vielen Alltagsentscheidungen berührt….seltsamerweise hat es aber in unserer Medienwelt keinen allzu großen Stellenwert. Manche Filme stoßen es an und werden berühmt … das war es dann auch. Wem gehört Beethovens Musik? Wäre ihm wirklich damit gedient, wenn wir – solange wir um die Rechte streiten – seine Werke unter Verschluß halten und ihre Aufführung verbieten?
Sowohl sein komponieren als auch der Apfel Newtons (der daraufhin einen „Einfall“ hatte) berühren das Feld der „Erkenntnis durch Offenbarung“. Musik und Wissenschaft als Geschenke des Himmels, wie Äpfel Geschenke des Baumes sind. Neben den Naturwissenschaften überlebt bei den Erkenntnistheoretikern auch die Theologie, denn: Erkenntnis kommt oftmals als „Einfall“ daher … und dieser Einfall muß eine Quelle haben, die außerhalb von uns selbst liegt…..oder aber er entstammt der Ursuppe des Unterbewußtseins (womit nur gesagt wird: „Ich habe auch keine Ahnung wie das laufen soll aber GOTT war es AUF KEINEN FALL“.)
Ganz schnell stoßen wir hier an menschliche Grenzen … und lediglich einige Grenzerfahrungen zeigen uns, das es hinter der Grenze noch etwas gibt, das Ursache und Grund sein kann.
Nun, Theologie ist nicht mein Geschäft. Gibt es einen Gott, so hat er uns so mangelhaft ausgestattet, das wir ihn nicht (…oder nicht mehr, aber das ist ein anderes Thema) finden können, gibt es ihn nicht … braucht man ihn ebenfalls nicht suchen. Wir können aber auch gut ohne ihn Leben, sollten uns aber immer vergegenwärtigen, das es die Ethik von Räubern ist, die hier Raum greift.
Das Land war vor uns da … und die Ideen kommen aus Räumen, die uns ebenfalls nicht zugänglich sind. Solange wir aber über letzteres keine Zweifelsfreiheit haben, müssen die Krämer mit ihrem Marktgeschrei aufhören. Der Verkauf geistigen Eigentums ist Landraub der Seele, wie der Baum gerne Früchte bringt, so schafft der Künstler gerne Werke. Selten, ganz ganz selten schafft es ein Künstler ohne Krämer reich zu werden.
Es ist also nicht das Problem der Künstler, sondern der Krämer. Denen aber entgegenzuhalten „Ach, Mensch, müßt ihr das denn jetzt auch noch verkaufen wollen?“ ist als würde man dem Regen das Naß machen verbieten.
Mit diesen Worten könnte ich mich jetzt vornehm zurückziehen, denn es wäre wahrlich genug Wort gesagt. In der Eifel kann man aber so als Philosoph nicht überleben, darum noch ein paar Takte meines geistigen Eigentums dazu: gratis und unverkäuflich.
Das Problem, das Künstler haben, ist die materielle Versorgung, für die sich einst der Adel verantwortlich fühlte. Ich selbst kenne genug Künstler, die großzügig von der ARGE gesponsert werden und jeden Tag Panik haben, die ARGE könnte sie mit irgendeinem Mist von der ARBEIT abhalten … was sie oft genug tut. Künstler können aber nicht nebenbei noch im Fachbereich „Laub fegen“ oder “ Altenbetüddelung“ Meisterschaften erzielen, auch – da bin ich fest von überzeugt – helfen ihnen mehrere Gabelstaplerfahrerscheine nicht wirklich weiter.
Inspiration erlangen ist ein schwieriges Geschäft, das wissen Künstler sehr gut. Kunst ist nicht beliebig reproduzierbar, wenn sie Meisterschaft erlangen soll (und dadurch die ganze Menschheit weiterbringt) erst recht nicht. Viele Künstler wissen, das der Zugang zur Kunst in ihnen liegt, ihnen aber jederzeit verwehrt werden kann…und viele haben deshalb Respekt vor dem, was ihnen die Kunst zufließen lässt.
Und so argumentieren ja Krämer: geistiges Eigentum muß verkaufbar bleiben, damit die Künstler nicht der ARGE in die Hände fallen und ihr Genie beim Laubfegen vertrödeln.
Da haben die Krämer recht … und doch verdienen an einem Künstler tausende von Krämern, während als Folge davon für tausend andere Künstler kein Geld mehr da ist und die wieder auf der Straße landen … diesmal als Bürgerarbeiter der ARGE. Wir sehen also: es besteht dringender Handlungsbedarf: wir brauchen mehr Adel im Alltag zur Rettung der Kunst, ohne den Adel wieder einzuführen.
Der Weg dahin ist einfach.
BÜRGERGELD statt BÜRGERARBEIT. Wäre einen kurzen Moment sogar möglich gewesen, denn eine Partei, die Bürgergeld forderte (die EINZIGE) ist ja gerade auch in der Regierung. Aber ich verstehe schon, das Bürgergeld Mist ist, weil es nicht von den Linken kommt. Darum kriegen wir jetzt Bürgerarbeit, die ist sicher besser.
Innerhalb des jetzigen Systems muss ich Microsoft Recht geben: es ist notwendig, das geistiges Eigentum geschützt wird. Aber: das der wandernde Barde dafür herhalten muss, die Chinesen zu verklagen, weil sie den BMW nachbauen … das geht mir zu weit. Viel zu weit.
Autobau ist keine Kunst. Programmieren auch nicht (das ist eher Hexerei – und wie die heilige Mutter Kirche dazu steht, wissen wir ja).
Doch hören wir Microsoft dazu, die mit einer besonderen Form von geistigem Eigentum Milliarden und Abermilliarden verdienen:
Die Möglichkeit, aus der Verwertung kreativer Werke einen finanziellen Nutzen zu ziehen, ist ein großer Anreiz, überhaupt mit einer oft beschwerlichen Entwicklungsarbeit zu beginnen. Schöpfer können sich außerdem weiteren Erfindungen oder künstlerischen Werken widmen, wenn sie für ihre Erfindungs- oder Entwicklungsarbeit eine Vergütung erhalten. Von einer Entlohnung profitiert allerdings nicht nur der Schöpfer. Schließlich dienen viele Schöpfungen auch dem Gemeinwohl. Es liegt deswegen im Interesse aller, den Schöpfern ihre Tätigkeit zu ermöglichen und das geistige Eigentum zu schützen. Auf diese Weise sichert sich die Gesellschaft ihre Innovationskraft.
Die legen fest, das der Sänger des Liedes auch sein Schöpfer ist. Das ist unwissenschaftlich und nicht beweisbar, wie uns der Ausflug in die Erkenntnistheorie zeigte. Dem wirklichen Sänger wäre das auch vollkommen egal, er singt nicht, um Millionär zu werden. Aber die Krämerkonzerne können heute mit Marktmacht aus jeder Hupfdohle einen Megastar machen – die Techniken setze ich mal als bekannt voraus, wir erleben sie seit dreissig Jahren täglich. Wir bewegen uns hier aber auf einem Weg, den wir auf keinen Fall weitergehen dürfen:
– oder sollen in Zukunft nur noch jene über die Erklärung der allgemeinen Menschenrechte reden dürfen, die dafür Lizenzgebühren bezahlen?
– müssen wir in Zukunft Dieter Bohlen schon deshalb bezahlen, weil er droht, er schreibt bald noch einen Song?
– wird jemand die Rechte an den Werken Platons erwerben, um fortan Lizenzgebühren für Gedanken über die Wahrheit, das Leben, den Staat, die Gerechtigkeit, die Liebe und den Tod verlangen zu können? (Platons Werke machen den Hauptteil dessen aus, was in der Philosophie jemals gedacht wurde … nebenbei bemerkt).
Schopenhauer unterteilte die Philosophen in zwei Gruppen.
Die einen leben von der Philosophie, die anderen für sie.
Diesen Satz kann man meines Erachtens übertragen. Wer für die Kunst lebt, kommt gar nicht auf den Gedanken, Lizenzen haben zu wollen.
Wer aber von ihr lebt, kann gar nicht genug davon kriegen.
Möglicherweise kann man sich ja in einem ersten Schritt auf Künstlerbürgergeld einigen, um im nächsten Schritt zu zeigen, das alle Bürger eigentlich Künstler geworden sind. Lebenskünstler.
Wir könnten eine so reiche und vielfältige Kultur haben, wenn … ja wenn die Sozialschmarotzer nicht wären, jene Zecken der Gesellschaft, die alles Geld, allen Lebenssaft des Volkes für sich allein haben wollen und die – wenn man sie ließe – selbst für Gottes Wort Lizenzgebühren nehmen würden. Wir stehen eigentlich schon wieder dicht davor, ein paradiesisches Leben auf Erden zu haben, wo – siehe Newton und Beethoven – der Apfel für jedermann zu haben ist.
Aber es gibt leider Kräfte, die wollen das Paradies nur für sich und können nur glücklich sein, wenn andere im Elend leben.
Und jene nennen wir zurecht: asoziale Sozialschmarotzer. … oder auch: Lumpenelite.
Da sie erfolgreich sind, in dem was sie tun, sind sie reich an Talern, wenn auch in der Seele arm. Und so arm möchten sie uns alle sehen.
Und wie immer zeigt mir gerade der Word count: Philosophie geht nicht kurz.