Kultur

Weg mit der Mittelschicht!

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Zugegeben … die Idee zu diesem Artikel stammt nicht von mir. Ich persönlich finde Mittelschicht eigentlich ganz in Ordnung, weil ich selbst dazu gehöre. Merke aber jetzt: ich muß da ganz schnell ´raus. Die Mittelschicht, so bin ich inzwischen überzeugt worden, gehört ausgerottet.  Noch nicht einmal der Zweite Weltkrieg hat soviel Schaden angerichtet wie sie….nur bei der Anzahl der Toten ist man sich noch nicht ganz sicher.

Aber … fangen wir ganz von vorne an. Die Mittelschicht ist ja Leistungsorientiert, das heißt: sie leistet sich gerne was. Das Problem ist: sie kann sich das, was sie sich leisten möchte, in der Regel gar nicht leisten. So ein kleines bischen Oberschichtfeeling ist eben ganz schön teuer.  So nutzt man das Baukindergeld und ähnliche Steuergeschenke schon mal, um „nach draußen“ zu ziehen – nicht, weil es da schön ist oder weil man naturverbunden leben möchte, sondern weil man sich das Eigenheim, die Bonsaiprotzvilla in der Stadt nicht leisten kann. Dank Eigenheimzulage verschandelt man also die letzten in Deutschland verbliebenen schönen Fleckchen mit seinen immer gleich aussehenden Egotempeln. Doch dann das Problem: man muß ja zur Arbeit.

Also: Zweitwagen muß her. Kann man sich auch nicht leisten, aber Papa muß ja zur Arbeit. Weil er ja jetzt ein Landlord ist, braucht er einen Geländewagen, damit alle sehen: er hat es geschafft. Da die  normalen Landstraßen für dieses Verkehrsaufkommen nicht geeignet sind, müssen auch diese vergrößert werden … auf Kosten des Steuerzahlers. Da beide jetzt arbeiten gehen müssen, um den Zweitwagen zu bezahlen, geraten die Kinder in die Wohlstandsverwahrlosung, was letztlich dem Beitragszahler der Krankenkassen ebenfalls viel kostet – und dem Steuerzahler auch, wenn ich dran denke, was die in ihren Anfällen von Langeweile alles tun.

Für die schreckliche Last des weiten Arbeitsweges will die Mittelschicht natürlich die Pendlerpauschale. Klar, denn sonst bricht der Traum vom Rieseneigenheim schnell in sich zusammen – und außerdem hat man auf dem Land Fahrstrecken wie ein Außendienstler zu bewältigen. Arzt, Einkauf, Kindergarten, Schule, Tennis, Freunde besuchen … alles mit durschnittlich 12km hin und zurück.

Das Land verwandelt sich mehr und mehr in einen häßlichen zersiedelten Vorgarten übersäht mit kunterbunten Bausünden.

Potthäßlich – das findet letztendlich auch die Mittelschicht. Er wollte aber auch nie hauptsächlich wohnen, sondern hauptsächlich angeben, deshalb wird er da nicht glücklich, denn die Kollegen aus der Stadt kommen nur höchst selten bei einem vorbei um ehrfurchtsvoll vor dem Gebäude zu verharren.  Und weil das Land so häßlich geworden ist, muß die Mittelschicht unbedingt in Urlaub fahren – drei mal im Jahr – um Kraft zu tanken. Der Landbewohner wundert sich, wohnt doch der Mittelschichtler mitlerweile da, wo andere früher Urlaub gemacht haben.  Er könnte doch prima Urlaub in seinem eigenen Haus machen. Das … findet der Mittelschichtler aber auch wieder nichtssagend und doof und eilt in die Welt hinaus um noch mehr Landschaften zu versauen.

Die Klimabilanz eines durchschnittlichen Vorstadtmittelschichtlers ist somit … unter aller Sau. Trotz Sonnenkollektoren auf dem Dach und Carport für den SUV.  Natürlich verseucht er mit seinen wahnhaften Neurosen auch das psychische Klima in Verein und Gemeinde, denn seine oft aufgeblasene Art erheitert jetzt nicht gerade das Gemüt. Auf der anderen Seite ist er zutiefst von Ängsten besetzt, denn für dieses fitzelchen Luxus, das er sich erlaubt, zahlt er mit seinem ganzen Leben und seiner ganzen Freiheit. Das macht ihn zu einem nicht gerade lockeren Zeitgenossen.

Insofern muß ich sagen, fand ich die Kritik eines Mittelschichtlers an der Mittelschicht heute recht überzeugend.

Man traut sich ja heute kaum, etwas Schlechtes über die Mittelschicht zu sagen, weil ja alle politischen Wichtigtuer um ihn herumtanzen wie um das goldene Kalb. Er ist ja auch wichtig. Ohne den Mittelstand würden weite Zweige sinnloser Industrien einfach nicht existieren, es gäbe keine Burgerbuden, keine zubetonierten und zersiedelten Landschaften, deutlich weniger Umweltverschmutzung, kaum  Staus am Morgen und überhaupt wäre das Leben angenehmer, weil weniger Neurotiker unterwegs wären, die ihre schlechte Laune über ihr verpfuschtes Leben an anderen auslassen müssen.

Was den Mittelschichtler auszeichnet ist die Tatsache, das er gerne ein Oberschichtler wäre.  Darum sind Lohnverzicht, Gratisarbeit und Gewerkschaftsabstinenz für ihn selbstverständlich, er sieht sich selbst ja in seiner Lebenslüge als Unternehmer und zukünftigen Chef von Daimler Benz und spielt deshalb gerne jetzt schon Strategiespiele wie „die Siedler“, um sein strategisches Talent schon mal im Kleinen zu Beweisen.  Solchen Leuten kann man auch bedenkenlos nichtssagende schottische Adelstitel verkaufen. Sowas geht da immer gut weg.

Die Selbstverständlichkeit einer solidarischen Grundstruktur, die Minimum einer jeden menschlichen Gemeinschaft ist, wird ganz schnell über Bord geworfen, an seine Stelle tritt der „Conan der Barbar“-Mythos: der harte einsame Kämpfer gegen eine übermächtige feindliche Umwelt.  Deshalb auch der Fußball-Hype. Diese ganze „harter-einsamer-Kämpfer-Nummer“, die spätestens mit dem ersten Bandscheibenvorfall nur noch lächerlich wirkt, erlaubt einem kein Gemeinschaftsgefühl mehr … der Mensch an sich wird zum Ausgestoßenen – trotz seiner Träume und Phantasien von Reichtum und Wohlstand, seinem scheinbaren Fleiß und seiner ständig überdurchschnittlichen Ordentlichkeit, die manchmal so wirkt, als erwarte man stündlich den Besuch des Reichswohnraumministers zur Inspektion.

Revolutionen kann man mit solchen Menschen nicht machen, Demokratie auch nicht. Prinzipiell sind es erbärmliche Feudalbüttel, erbärmlich deshalb, weil sie aufgrund ihrer devoten Struktur niemals jene Führungsqualitäten entwickeln werden, die Adel auszeichnen sollte.

So gesehen ist die Mittelschicht ein überflüssiger Kropf der Gesellschaft. Eine dicke Speckschwarte, die man nutzlos im Leben mit sich herumschleppt.

Ökologisch, wirtschaftlich, politisch – eine Katastrophe. Keine Gesellschaft, kein Land kann das ewig mitmachen, was die Mittelschicht für sich beansprucht, deren Ansprüche gehen weit über die natürlichen Ressourcen hinaus.

Der Hartz IV-Abhängige kann sich da bequem zurücklehnen. Er hat mehr Zeit für seine Familie, schadet der Umwelt weniger und bildet sich politisch mehr, auch wenn letzteres aus der Not geboren wurde.

Insofern sollte man der Politik dankbar sein, das sie die Mittelschicht jetzt ganz gezielt abbaut. Manche erreichen ihr Oberschichtziel, die Masse kommt ins Prekariat – und dann fangen wir wieder ganz von vorne an, eine menschliche Gesellschaft aufzubauen. Einige Jahrhunderte wird das wohl noch dauern.



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