Ausland

Obama: „No! I can’t!“

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Die Zeit der großen, bewegenden und visionären Reden ist für Obama schon lange vorbei. Deren Inhalte sind heute bereits von gestern, denn wirklich verändert hat sich in und mit den USA leider so ziemlich nichts. Und was waren das für Reden! Die ganze Welt verabschiedete sich kaum bis gar nicht von einem George W. Bush, der nach der letzten Präsidentschaftswahl das Amt leise durch die Hintertür verlassen und einen gigantischen, wirtschaftlichen und allgemein außenpolitischen Scherbenhaufen hinterlassen hatte.

„Yes, we can!“ – dieser Spruch ist zwischenzeitlich ins Nichts verkommen. Die arabischen Staaten befinden sich, jetzt mehr als ein ganzes Jahr nach Obamas aufrüttelnder und mit Versprechen vollgestopften Kairo-Rede noch immer in ungläubiger Schockstarre. Die arabischen Machthaber, die sich vielfach ausschließlich nur noch mit brutaler Unterdrückung ihrer eigenen Völker und den reichlich fließenden Geldmitteln aus Washington halten können, geraten zunehmend in die Bredouille. Sie können den Menschen auf den Straßen jetzt nicht mehr erklären, weshalb sie sich tatsächlich still gegen Israel verhalten und in den Städten, auf dem Land beginnt Unmut zu brodeln.

Obama hat breitflächig versagt; bisher ist ihm mit Ausnahme seiner Gesundheitsreform wirklich gar nichts gelungen und noch nicht einmal sein Krisenmanagement in Bezug auf die Ölkatastrophe ist merklich besser als das von Bush bei dem verheerenden Hurrican „Kathrina“, der New Orleans zum Absaufen brachte.

Und nun tritt Obama seinen arabischen Gesprächspartnern erneut von hinten in die Kniekehle, während er gleichzeitig vor Israel selbst einknickt. Zürnte Obama noch vor wenigen Monaten, weil Israel beim Besuch des Vizepräsidenten Biden „ungeschickterweise“ den Fortgang des Siedlungsbaus in Ostjerusalem angekündigt und die USA somit in eine prekäre Situation gebracht hatte, so ist heute wieder beides gleichzeitig problemlos möglich.

Gestern erst erklärte Israel, dass der Stop der Siedlungsbauarbeiten in Ost-Jerusalem nur eine Pause sei und demnächst durch rege Bautätigkeiten beendet werden würde, so meldet SPIEGEL-Online heute von einem herzlich und freundschaftlichen Besuch Netanjahus in Washington. Bereits im Vorfeld legte Obama dem israelischen Premier überreichliche Gastgeschenke zu Füßen: die USA hatte den unter zweifelhaften Umständen zustandegekommenen Sanktionen gegen Iran zugestimmt und stillgehalten, als Israel sich wieder einmal geweigert hatte, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten. Rationale Gründe liegen weder für das eine noch für das andere vor; sie müssen gewertet werden als das, was sie sind: ein Kotau vor Israel.

Nur was den Friedensprozess im Nahen Osten angeht, übte Obama sanften Druck aus. Er hoffe, dass aus den indirekten Gesprächen zwischen Israelis und Palästinensern direkte Verhandlungen würden, und zwar bevor das israelische Moratorium im Siedlungsbau im September auslaufe. Darauf jedoch hatte Netanjahu eine gute Antwort: Er wolle ja direkte Verhandlungen, die Palästinenser aber lehnten sie ab. Weitere vertrauensbildende Maßnahmen hielt Netanjahu nicht für nötig, zumindest im Gespräch mit den Journalisten. Ob er Obama etwas versprochen habe – darüber schweigt er sich aus, auch weil ihm weitere Zugeständnisse an die Palästinenser seine Regierungskoalition daheim sprengen könnten.

( http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,705075,00.html )

Die Ablehnung der Palästinenser allerdings fußt auf international anerkanntem Recht; immerhin ist der gesamte Siedlungsbau Israels gemäß UN-Charta ganz klar illegal und mit jeder im Westjordanland errichteten Wohnung schwinden die Aussichten auf eine „Zwei-Staaten-Lösung“, wie sie ja Grundvoraussetzung für die Anerkennung Israels als Staat damals proklamiert worden war. Insofern stößt Israel den Palästinensern glühende Eisen ins Fleisch und säuselt gleichzeitig von „Friedensbemühungen“; das ist nicht nur zynisch.

Obama aber findet darauf keine Antwort (mehr) und positioniert sich auch in keiner Weise zu den anhaltenden Menschenrechtsverletzungen seitens Israel in dieser Region.  Der SPIEGEL nimmt das ungute Gefühl vorweg und setzt es an den Beginn seines Artikels:

Gerade eben war noch von der „schlimmsten Krise seit 35 Jahren“ die Rede – und plötzlich erlebt Israels Premier Netanjahu einen sehr freundlichen US-Präsidenten. Nun scheint der Groll um Siedlungsbau und Gaza-Blockade vergessen. Der Grund: Obama will seine jüdischen Wähler nicht verprellen.

Der US-Präsident müsste eigentlich, wenn er sich denn durch Intelligenz, Weitblick, Friedenswillen von seinem Amtsvorgänger wohltuend unterscheiden wollte, wissen, dass dieser Kurs sehr viel mehr Blut einfordern wird. Die Spannungen im Nahen Osten werden ungebremst weiter ansteigen und zu Recht werden viele Regimes in diesem Bereich bald nicht mehr umhin können, als dramatisch sinkende Geduld zu zeigen. Operationen gegen Israel werden mehr oder weniger verdeckt von ihnen finanziell unterstützt, mit Waffen beliefert und personell in Szene gesetzt werden, während der Unmut der arabischen Bevölkerungen auf den Straßen immer weiter ansteigt.

Obama hat sich als Luftnummer gezeigt und scheint tatsächlich die Ereignisse noch weniger im Griff zu haben als Bush. Eher im Gegenteil: zwischenzeitlich mehren sich harte Indizien, dass er ganz erheblich harscher und sogar brutaler gegen seine Gegner vorgeht als es Bush je getan hatte. Dabei ist er in vielen seiner Geschäftsfelder überhaupt nicht Getriebener, sondern Akteur und zeigt kein glückliches Händchen dabei. Nicht nur die Araber, sondern die eigenen Wähler scheinen in zunehmendem Maße unzufrieden und werden ungeduldig; noch eine oder zwei mittelschwere bis schwere Krisen und es könnte zu einem vorzeitigen Ende der Obama“schen Präsidentschaftszeit kommen. Trotz unglaublichen Rückenwindes aus der Heimat hat Obama nichts im Griff, keine klare Aufgabe wurde und wird von ihm bewältigt, er hat bisher keine einzige Zusage eingehalten, von seinen Versprechungen gänzlich zu schweigen. Er hat die USA nicht stabilisiert, er beschleunigt ihr Taumeln und ihr Versagen. All dies wird offen zutage treten, wenn er den Krieg gegen Iran beginnen wird (woran kein Zweifel mehr ist). Er wird damit zeigen, dass auch er Sklave der Wirtschaft, seinen eigenen Omnipotenzvorstellungen und schlechten Ratgebern ist.

Nebenbei bemerkt wird es Millionen von ruhigeren, besonneneren und mäßigenden Politikern jetzt völlig unmöglich werden, gegen das Gerücht anzugehen, die USA sei Sklave einer zionistischen Weltverschwörung. Dies ist einer der durchaus beunruhigendsten, ja besorgniserregenden Nebeneffekten des Obama’schen Totalversagens. Allein nur wegen dieses völlig unverständlichen Stillhaltens während unausgesetzt fortschreitender Verbrechen Israels gegen Palästina werden weltweit Juden auf offener Straße niedergeschlagen, Synagogen beschmiert oder in Brand gesetzt werden. Das ist nicht nur ausgesprochen dumm von Obama, es ist nicht mehr zu verstehen und nicht angetan dazu, extreme Kreise zu beruhigen oder Tendenzen zu weiterer Extremisierung umzukehren.

Und wieder einmal wird die Welt von den USA an den Rand einer globalen Katastrophe gedrängt werden – und wie jedesmal bleibt auch jetzt nur zu hoffen, dass die Welt dann keinen einzigen Schritt nach vorn mehr macht.

© 2010 Echsenwut.



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