Leben

Die Ängste der Deutschen und die Angstindustrie

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Manchmal stößt man auf spannende Sachen im Netz, wie zum Beispiel auf die hier: die Angstindustrie.

Wovor die Deutschen Angst haben

Die Geschichte läuft ja gerade wieder, die Schweinegrippe hält jeden im Atem, die Nachrichten sind voll davon. Jedes Jahr gibt es zig-tausende von Grippetoten, da kräht kein Hahn nach. Aber nennt man es Schweinegrippe, dann geht ein Raunen durchs Volk … und vor allem die Pharmafirmen verdienen sich wieder dumm und dämlich an Impfstoffen, über deren Wirksamkeit sich in Zeiten einer weltweiten Epedemie natürlich keiner mehr Gedanken macht.

Jeder, der nicht schnell genug auf den Baum kommt, wird geimpft.

Angst … ist eine natürliche und sinnvolle Reaktion auf eine Bedrohung. Sie kann enorme Kräfte freisetzen. Oder aber sehr lähmend wirken. Auf jeden Fall fördern beängstigende Schlagzeilen den Umsatz.

Der Spiegel war ja schon immer gut dafür, einmal im Jahr den Untergang der Welt zu melden. Das letzte Mal, das ich darauf hereingefallen bin, war die Auslöschung der Menschheit durch Herpes-Viren.

Bis heute haben wir das alles überstanden. Deshalb gehe ich davon aus, das die Schweinegrippe wie jede andere Grippe auch mit einem Paket Taschentücher zu bewältigen ist. Sicher werden Menschen daran sterben -wie bei jeder anderen Grippe auch. Das ist nun mal so. Menschen sterben … an allen möglichen Dingen.
Sogar die, die Sport treiben, Vegetarier sind, supergesunde Biokost essen und immer positiv denken sterben.

Viele von ihnen auch viel zu früh, während andere, die größten verbotenen Gesundheitssünden frönen diese Sünden bis ins hohe Alter genießen können, ohne von der unerfindlichen göttlichen Gerechtigkeit dafür bestraft zu werden.

Wie gemein.

Die größte Angst des Deutschen jedoch … ist die Angst vor wirtschaftlichen Nöten. Atombomben, Waldsterben, Terrorismus, Ozonloch, Klimakatastrophe, alle die schönen Produkte der Angstindustrie steckt er locker weg….aber nicht mehr shoppen zu können, das haut ihn um. Versetzt ihn in Panik. Macht ihn wahnsinnig.

Darum wahrscheinlich auch dieser völlig irrationale Hass auf Langzeitarbeitslose. Die sind so arm, das es fürs Essen kaum reicht, sind noch Kinder da, sind sie noch ärmer. Im Ausland würde man angesichts dieser Armut Hilfslieferungen organisieren, in Deutschland wird man dafür angespuckt, man kriegt Müll vor die Tür geschmissen oder an die Tür gepinkelt.

Warum?

Weil man nicht panisch um Hilfe schreiend durch die Stadt rennt, angesichts der Tatsache, das man der schlimmsten Katastrophe seit Menschengedenken zum Opfer gefallen ist: der völligen Erschöpfung der Kaufkraft. Noch nicht mal Krebs ist schlimmer … es sei denn, man hat Pech und hat ihn gerade.

Wenn dann noch einer dieser Aussätzigen den Anschein macht, das der Aussätzige glücklich ist, dreht der Deutsche völlig durch. Die sind nicht nur arbeitslos, die stellen auch durch ihre bloße Existenz den gesamten, altbewährten bundesdeutschen Lebensentwurf in Frage: kaufen, bis der Bestatter kommt.

Das, also das geht ja nun mal gar nicht. Das gehört bestraft … denn ansonsten müßte man sich ja der kompletten Sinnlosigkeit und Leere der eigenen Existenz stellen – und vielleicht sogar was ändern, vielleicht sogar mal nachdenken und was tun. Nein, bevor es soweit kommt, lieber nochmal den Rasen mähen, damit auch bloß kein Halm aus der Reihe tanzt.

Eine armseelige Existenz … denn nichts ist schlimmer, nichts quält mehr, als ein leeres, sinnloses Leben. Therapeuten wissen das. Deutsche nicht. Leider.

All jene Auswürfe gegen „sozial Schwache“ … wobei schon diese Wortwahl eine Katastrophe ist, denn sie sind nicht sozial schwach sondern nur konsumbeschränkt – was auch ein Segen sein kann … sind nichts weiter als ein Schrei nach Hilfe. Ein Schrei, der oft ungehört verhallt. Ich kaufe, also bin ich, die neue Losung deutschen Glücks – leider macht es nicht glücklich, und an diesem Paradox vergeht man innerlich, Stück für Stück, immer weiter. Darum kauft man noch mehr … irgendwann muß man es doch geschafft haben. Bedauerlicherweise setzt der Bestatter diesem Wahn irgendwann ein endgültiges Ende, noch bevor man Gelegenheit hatte, mit dem LEBEN anzufangen.

Als Ersatz für das Leben nimmt der Deutsche gerne das Reisen. Wenn man soviel herumgekommen ist, dann muß man doch einfach irgendwas erlebt haben. Liest man dann Reiseberichte … so liest man elendig lange Beschreibungen von sinnlos aneinandergefügten Beobachtungen. Ein wacher Geist würde bei einem Discounterbesuch mehr erleben als andere auf einer monatelangen Asienreise.

Noch so viele Quantität macht noch keine Qualität. Aber … das wird leider nicht mehr gelehrt. So ist es in Vergessenheit geraten. Konsumterror … ein langweiliger Begriff aus der Mottenkiste der deutschen Geschichte, erst recht nach der Wiedervereinigung, wo viele neue Deutsche kamen, die erst mal ganz viel kaufen wollten. Wie schön, das man auch gerade zu viel produziert hatte. Welch´ Zufall.

Nun, in zwanzig Jahren werden wir dann vielleicht wieder so weit sein, so weise, das wir anfangen können, nicht mehr die Konsumschafe der Marketingabteilungen zu sein.

Bis dahin … werden sie uns weiter durchs Leben treiben und uns Selbiges stehlen. Wenn wir sie lassen.

Und so lange wird es wohl dauern, bis wir merken, das es wirklich Dinge gibt, vor denen man zurecht Angst haben sollte … nämlich, das man uns unser freies, selbstbestimmtes Leben nimmt.

Vor zweihundert Jahren wußte jeder, das das der einzige Wert ist, den man wirklich braucht. Auch das ist … in Vergessenheit geraten. Man kann es nicht kaufen.

Aber Gott sei Dank gibt es ja auch noch eine Industrie, die uns jedes Jahr mit neuen Ängsten versorgt, die ein Jahr später wieder schrecklich „out“ sind. Hat noch jemand Angst vor der Vogelgrippe? Immerhin sollen schon deutsche Katzen dran erkrankt sein, na, wenn das mal kein Grund zur Sorge ist.

Aber … Vogelgrippe ist unmodern geworden. Und Ängste müssen sich halt auch der Mode unterwerfen.
Schweinegrippe ist gerade in. Und nächstes Jahr … was anderes.

Währenddessen wird man unsensibel für Dinge, die wirklich Angst machen sollten: die zunehmende Unmenschlichkeit im Alltag, die Ausplünderung des Landes durch skrupellose Manager und Politiker, die neue aufkeimende Theorie vom „unwerten Leben“…..Grundlage für jede Hexenverbrennung und jedes Konzentrationslager.

Aber darum … kümmert man sich lieber nicht. Das ist zu echt, und es gibt kaum etwas, was man dagegen kaufen könnte.

Und geht noch ein wenig fehl … werden sich unsere Enkel wieder für uns schämen müssen. „Deutscher“ wird wieder ein Schimpfwort.

Wollen wir das wirklich?




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