Reichtum ist in unserer Zeit ein Wert, nach dem alle Streben, so scheint es. Reichtum ist auch eine außerordentlich schöne Angelegenheit, die sehr beglückend wirken kann. Trotzdem wirken Reiche Menschen selten so richtig glücklich. Weniger Reiche im übrigen auch nicht. Arme erst recht nicht.
Für mich bedeutet wahrer Reichtum … obdachlos und völlig Pleite, von Freunden und Familie verlassen, todkrank unter einer Brücke zu sitzen, um der Kälte des Regens entkommen zu können, als einziger Besitz eine billige Flasche Wein, die darüber hinwegtröstet, das man nur noch wenige Monate zu leben hat – Krebs – und dann … sich freuen kann wie Bolle über die Sternschnuppe, die man in dem knappen Ausschnitt zwischen Brücke und Horizont sehen kann.
Riesengroß sinkt sie langsam zur Erde, der Schweif lang und hell, innen orange, außen grün. So wie die, die ich gestern sah. Die größte meines Lebens. Wunderschön.
Ich fühlte mich wie der reichste Mensch der Welt … und hätte mit Bill Gates auf keinen Fall getauscht.
Diese Form von Reichtum läßt sich auch durch Geld nicht zerstören.
Diese Form von Reichtum tragen Kinder noch ganz natürlich in sich. Irgendwann werden sie dann Erwachsen … und in der Regel arm, auch wenn sie noch soviel sinnloses Zeug anhäufen.
Wirklicher Reichtum ist die Kunst, alles genießen zu können, was sinnlich erfahrbar ist, egal, wieviel man davon besitzt. Wem diese Kunst abhanden gekommen ist, der verbringt sein Leben ohne jegliche Lebensqualität in klimatisierten Büros, umdem verlorenen Reichtum nachzujagen.
Ein reicher Mensch kommt dem Himmelreich sehr nahe, wenn er bei dem schmeichelnden warmen Schein eines Teelichts einen Pfirsich kunstvoll in kleine Stücke schneidet und jeden kleinen Bissen auskostet, während arme Säcke bei einem sieben-Gänge-Menü (Kosten: 3000 Euro) das kostbarste verschwenden, was Menschen haben: Lebenszeit.
„Schaut her, was ich habe: müßte ich nicht glücklich sein!“ so tönt aus aus den Egotempeln der Vorstädte, jedoch – schaut man näher hin, findet man arme, unglückliche Tröpfe, die eigentlich durch allen Protz nur eins vermeiden wollen: das man erkennt, das ihre Lebensqualität sich dem Nullpunkt nähert. Und täglich sickert ihre Lebenszeit nutz- und sinnlos in den Sand.
Und wenn es dann zuende geht, das Leben, wenn man nach dem Mal die Rechnung präsentiert bekommt, dann zählt nur eins: das man ein reiches Leben gehabt hat. Schon die Menschen des alten Testamentes konnten sich in Ruhe zum Sterben hinlegen, wenn das Leben reich war. Erlebnisreich.
Für ein reiches Leben braucht man nicht viel Geld. Man braucht auch keine Fernreisen, Statussymbole und erst Recht nicht die Achtung und Anerkennung anderer Menschen, denn der Pfirsich schmeckt nicht besser, wenn man ihn in Kalkutta ist, noch hilft das goldene Tellerchen oder der Applaus der Menge, die meint:
„Oh, schaut, da ist ein reicher Mensch, er hat einen Pfirsich“.
Der Wunsch nach Anerkennung durch andere ist wie ein Pflaster, das die Wunde der Armut überdecken soll,
ebenso wie das goldene Tellerchen den Reichtum zeigen soll, den man innerlich so sehr vermißt.
Die Kunst, reich zu sein … ist die Kunst, glücklich zu werden. Überall, zu jeder Zeit, unter allen Umständen.
Das ist ein Reichtum, der an Schulen und Universitäten gelehrt werden sollte, bevor die Armut in diesem Lande so überhand nimmt, das es in Gewalt ausartet.