Alltagsterror

Wie Werte die Welt verändern … und die Wirtschaft.

Von hier aus gelangen Sie auf die Autorenseite von und koennen alle kommenen Artikel mit "Link speichern unter" abonieren.

eifelphilosoph_200Dienstag, 14.10.2014. Eifel. Sieht schlimm aus in der Welt, oder? Schreibe ja oft genug darüber. Über Krieg will ich gar nicht reden, dass habe ich mit Blick auf die Ukraine schon oft genug getan – und inzwischen begreifen ja auch genug Menschen, dass wir da unnötigerweise dicht an einem finsteren Abgrund entlang schrammen. Ich schaue alleine auf die Wirtschaft … und erschaudere ob der Summen, die der Euroraum braucht, um wirtschaftlich wieder in Fahrt zu kommen. „Ein- bis zwei Billionen“ (also 10-20% der Gesamtwirtschaftsleistung des Raumes) braucht die Eurowirtschaft, erläutert Wolfgang Münchau im Spiegel. Ich breche das gleich wieder auf die Bürger herunter und sehe, dass Rentnerinnen mit einem Gesamteinkommen von 400 Euro auf einmal 80 Euro zur Rettung des Wirtschaftsraumes auftreiben sollen. Arbeitslosen geht es ähnlich … allerdings zahlt man denen noch Miete, Heizung und Wasser. Oder der Niedrigöhner mit seinen 800 Euro – zahlt erstmal 160 Euro für die Rettung Europas – zusätzlich zu allen anderen Zahlungen, die er sowieso schon leistet.

Wahnsinn, oder? Das alles entwickelt sich so Aufgrund eines einzigen Wertes: des Ego. Frank Schirrmacher hat darüber vor seinem frühen Tod ein ganz dickes Buch drüber geschrieben – und nein, ich deute jetzt keine Verschwörungstheorie an, die darauf verweist, dass er beseitigt wurde, weil er den zentralen Motor der westlichen Kultur angegriffen hat: den Traum von der hemmungslosen Befriedigung aller von der Industrie künstlich hervorgerufener Bedürfnisse, einen Traum, den wir niemals bezahlen könnten.

Die Konzentration auf das Ego zerstörte letztendlich alles, was über Jahrhunderte aufgebaut wurde … letztlich sogar die Familie: auch wenn die nicht aufgrund der immensen Belastung auseinanderbrach, so rannten doch fortan Papa und Mama in der Arbeitswelt herum (zu immer niedrigeren Löhnen und immer längeren Arbeitszeiten), um noch halbwegs den von der Wirtschaft festgesetzten Bedürfniskanon herunterbeten zu können – zu Lasten der vernachlässigten Kinder.

Ein einziger Werteschwerpunkt zerstört eine ganze Volkswirtschaft auf einem Verbrauchsniveau, für das wir mehrere Planeten bräuchten – die wir leider nicht haben.

Ziemlich doof, oder?

Früher – galten andere Werte. Ja,  ich spreche hier jetzt von einem sehr idealisierten früher, weil ich ganz frech behaupte, dass wir dieses idealisierte „früher“ ganz einfach praktisch in der Zukunft leben können. Ich nehme einfach mal einen Wert heraus:

Vertrauen

Ein ziemlich fremder Wert, oder? Eigentlich schon ein Unwert, denn wer vertraut, ist blöde und wird über´s Ohr gehauen … ein Echo dieser Einstellung vernimmt man bei der Deutung des Begriffes durch Wikipedia – was ich hier mal wegen massiver Verfremdung durch die Ego-Perspektive nicht zitieren möchte. „Vertrauen“ ist das Gegenteil von „Misstrauen“ – jenes Misstrauen, dass durch den überkritischen Verstand in die Welt gekommen ist. Ja – dieser Verstand war (siehe z.B. Descartes) in der Lage, die Existenz der ganzen Welt in Frage zu stellen (was der Buddhismus schon vorher getan hatte) – wie soll man da noch Vertrauen. Und überhaupt: im Geschäftsleben lauern überall Gangster – siehe Lehman-Brothers.

Ja – das ist die Egokultur, da wird jeder zu jedermanns Feind – künstlich hochgezüchtet. Deshalb sitzen die Menschen dann so oft wir möglich hinter ihren verschlossenen Wohnungstüren und wagen sich nur noch via Bildschirm mit der Realität auseinander zu setzen. Man geht nicht mehr aus – es sei denn, im Rudel.

Wissen Sie, wie die Alternative aussah? Ich erinnere daran, wie die Wikinger mit Schiffen in der Größe von Beibooten den Atlantik überquert  haben. Sie stürzten sich in ein gigantisches Nichts … und bewältigten es. Das war „Vertrauen“ – angefüllt mit Misstrauen hätten die sich noch nichtmal zum Bootsbau zusammengefunden. Sie haben auch darauf vertraut, dass am nächsten Tag (trotz der Präsenz der allmächtigen Götter und der fürchterlichen Eisriesen, die sie zusätzlich ängstigten) wieder die Sonne aufging und nicht etwa das allgegenwärtige apokalpytische Ragnarök (der Untergang der Welt durch den Kampf der Götter gegen die Riesen) begann.

Das war Vertrauen – Vertrauen in die Stabilität der Welt, Vertrauen in die eigene Leistunsfähigkeit – und Vertrauen in die Vernunft der Mitmenschen, mit denen man zum Abenteuer aufbrach. Diese Vertrauen entsprang aber nicht einer „Vermutung“, sondern der sicheren Gewissheit, dass alles so läuft, wie es schon immer gelaufen ist. Hierzu bedarf es aber eines weiteren Wertes:

Verantwortung

Damit Vertrauen gelebt werden kann, muss sich jeder an seine eigene Verantwortung erinnern. Das ist schwer heute, denn der Begriff „Verantwortung“ wird in Politik und Wirtschaft leicht missbräuchlich verwendet. Gerne lastet man heute Menschen „Verantwortung“ auf, die sie gar nicht mehr tragen können: viele Arbeitslose können davon ein Lied singen. Mitte fünfzig werden sie auf einmal mit der Tatsache konfrontiert, dass die Firma, der sie dreißig Jahre lang treu gedient haben, sie nicht mehr haben möchte und sie in die „Selbstverantwortung“ entläßt. Angesichts des Bestrebens der Wirtschaft, bald alle Kassen zu automatisieren, dürfen bald sämliche Verkäufer in Deutschland diese Erfahrungen machen. Verantwortung heist, dass jemand in der Lage ist, zu erläutern, warum beim Erfinden der automatisierten Kassen niemand an die Verkäufer und Verkäuferinnen gedacht hat. Verantwortung heist, dass man sein Bestes gibt, dass in einen gesetzte Vertrauen auch zu erfüllen – und nicht beständig nach Möglichkeiten sucht, seinen Partner zu hintergehen: weder als Kapitän des Wikingerbootes, der einfach nur mal Wasserski fahren wollten, noch als Ruderer des Bootes, der sich auf Kosten seines Nachbarn schont.

Da wir gerade auf einem Boot sind … da gibt es noch einen weiteren Wert:

Beständigkeit

Egal, was man nun in Angriff nimmt: die Fahrt in einer Nussschale über den stürmischen Atlantik, die Rodung eines Felds zum Weizenanbau oder die Spezialisierung auf den Beruf des Schäfers – Beständigkeit ist ein wichtiger Wert, um zum Ziel zu kommen. Wir brauchen Vertrauen, um das Ziel realisieren zu können, wir brauchen Verantwortung, um die Genossen auf das gemeinsame Ziel verpflichten zu können – und Beständigkeit, um es erreichen zu können. Zwischendurch auf die Idee zu kommen „ich würde aber jetzt doch lieber nach Afrika“ – ja, das geht dann nicht. Aber was rede ich von Wikingern: jeder Familienvater und jede Mutter (und vor allem: JEDES KIND) schätzt diesen Wert, weshalb viele gerne Beamte werden. Familien brauchen – wie alle anderen Firmen auch – Planungssicherheit und die resuliert aus der Beständigkeit zentraler Umwelfaktoren, in denen das eigene System eingebettet ist – und hier ist nicht nur die Ökologie gemeint, sondern auch die Ökonomie. Beständigkeit ist ein wichtiges Element, damit man seiner Verantwortung nachkommen kann und dem Vertrauen, das in einem gesetzt wurde, gerecht werden kann.

Ach ja – gerecht.

Gleichwertigkeit

Ein Wert, der oft unterschätzt wird. Für uns Demokraten ist das selbstverständlich … aber wie demokratisch sind eigentlich unsere Firmen? Bleiben wir einfach bei unserem Schiff, unsere Nussschale von wahnsinnigen Wikingern. Ja, vorne steht Olaf der Starke auf dem Weg in einen ungewissen Zukunft … doch seine Mitreisenden sind nicht weniger Wert als er. Sie haben andere Funktionen (rudern, während er die Sterne beobachtet, um den Kurs zu bestimmen), aber sind gleichwertig. Ohne dieses Gleichwertigkeit – kein Vertrauen, keine Verantwortung, keine Beständigkeit.  Ohne diese Gleichwertigkeit … könnte Olaf der Starke sich auch schnell auf einer einsamen Insel wiederfinden – oder allein im Atlantik, weil die anderen kurz vergessen haben, dass auch er den gleichen Wert wir alle anderen hat. Nun haben wir vier Werte … und einen ganz wichtigen fast vergessen.

Austausch

Um Vertrauen leben zu können, brauchen wir beständigen Austausch auf allen nur erdenklichen Ebenen. Olaf der Starke ist gehalten, beständig zu erläutern, was er hinter dem Horizont vermutet, zu zeigen, wie beständig der Kurs die letzten Monate war, wie sehr er in die Mannschaft vertraut. Aber – hier verlassen wir mal das isolierte Schiff – Austausch ist ein zentrales Element der ganzen Schöpfung, „Austausch“ läßt den menschlichen Körper überhaupt lebendig werden, Austausch als „Handel“ ist DIE Grundlage allen produktiven Reichtums. Wir lernen zwar regelmäßig alle Kriege der Menschheitsgeschichte auswendig – es waren aber nicht die Kriege, die den Wohlstand gebracht haben, es waren die Händler, die im Austausch der Überschussproduktion der Menschheit einen enormen Reichtum bescherten. Und auch Olaf hat diesen Austausch im Sinn, wenn er ferne Länder aufsucht, um dort mit Gewinn zu handeln (dass Wikinger in erster Linie Händler waren, wird in der profanen Geschichtsschreibung ebenfalls weniger berücksichtigt): um Äxte aus Eisen gegen Gold zu tauschen … Gold, dass nur Sinn macht, wenn es eine Heimat gibt, in die man vertrauensvoll zurückkehren kann, um dort erfolgreich handeln zu können. Haut dort Erik der Grausame den Olaf einfach um und nimmt ihm das Gold weg … wird niemand jemals mehr aufs Meer hinausfahren. Bringt Olaf aber nur Katzengold aus der Eifel zum Tausch, werden die daraus folgenden Turbulenzen ebenfalls den produktiven Schiffsverkehr zum Erliegen bringen.

Wir merken: ein Wert fehlt noch, um den Kanon rund zu machen:

Zusammenarbeit

Ja – ich weiß: wir predigen andere Werte in der modernen Welt. Der heldenhafte Einzelkämpfer (in verschiedenen Versionen immer von einem Herrn Schwarzenegger auf die Leinwand gebracht) ist das momentane Vorbild des selbstverliebten, in omnipotenten Fantasien schwelgenden Egomanen. Aber wie haben wir damals das Mammut erlegt? Durch Zusammenarbeit. Wie haben wir viele Jahrtausende lang alle Probleme der Menschheit aus dem Wege geräumt? Durch Zusammenarbeit – und nicht dadurch, dass alle in ihren eigenen Zelten sitzen und ins Feuer starren (das war die früheste Version von TV – allerdings eine, die das Denken und die Fantasie anregten). Was wäre denn, wenn wir – angesichts der gewaltigen Probleme der Menschheit – mal nicht darauf vertrauen, dass Conan der Barbar alles mit einem Faustschlag löst, sondern wir mal wieder zur Zusammenarbeit finden – politisch, wirtschaftlich, ökologisch und gesellschaftlich?

Anfangen sollten wir mit … Wirtschaft. Das machen wir auch, wenn wir versehentlich auf einer einsamen Insel stranden. Erstmal sorgen wir für Wärme und Obdach, dann für Wasser – und letztlich auch für Nahrung. Dazu brauchen jene, die Wasser holen, dass Vertrauen auf die anderen, die währenddessen für Obdach sorgen – während die beiden wiederum auf jene vertrauen, die für Nahrung sorgen.

Warum tun wir nicht einfach so, als wären wir schon gestrandet? Als wäre die Wirtschaft schon zusammengebrochen?

Wolfgang Münchau will Billionen … und ich prophezeie, dass die auch nicht ausreichen werden. Wir müssen das System hinterfragen, dass den Einsatz dieser Unsummen nötig macht – unser Schiff hat ein Loch. Wir werden es nicht mit immer schnelleren Ruderbewegungen stopfen.

Bevor wir uns jedoch in Bewegung setzen, um der egomanen Weltuntergangsbewegung Widerstand entgegen zu setzen, sollten wir uns an die Werte erinnern, die seit Jahrtausenden für jeden Siedler einer arbeitsteiligen Gesellschaft so selbstverständlich waren, dass kaum drüber geredet werden brauchte (obwohl man diese Werte zur Sicherheit als göttliche Gebote setzte … mehr oder weniger weltweit, doch das ist ein anderes Thema).

Nun wissen Sie, was uns in sichere, blühende Zukünfte führen kann: VVBGAZ. Jedenfalls – wenn wir nur egoman die Zukunft Deutschlands im Auge haben. International hört sich das anders an:

Trust/Vertrauen + Responsibility/Verantwortung + Endurance/Beständigkeit + Equivalence/Gleichwertigkeit + Exchange/Austausch + Cooperation/Zusammenarbeit.

TREEEC.

Hört sich besser an.

Versteht man weltweit … wie man auch die unabänderliche Gültigkeit dieser Werte anerkennen wird, die selbstverständlich für jede Dorfgemeinschaft sind … und jedes Wikingerboot.

Also … bleiben wir nun mit unserer Stammesgemeinschaft in der Höhle sitzen, starren auf die Schatten an der Wand und fürchten das Brüllen des ökonomischen, ökologischen oder politischen Ungeheuers vor der Tür … oder gehen wir zusammen als Team hinaus und erlegen das Vieh?

Und keine Sorge: Menschenleben sind dabei nicht in Gefahr. Vor der Tür lauern nur degenerierte unproduktive Werte, die verschwinden, wenn man nicht mehr an sie glaubt: Misstrauen, Verantwortungslosigkeit, Unbeständigkeit, zunehmende Ungleichheit, Wagenburgmentalität und der „Krieg aller gegen alle“ … der (streng nach Hobbes) uns wieder ganz direkt in die Zeiten der absoluten Monarchie zurückführen wird. Kein vernunftbegabtes Wesen würde sich nach einer Phase der ruhigen Besinnung für diese Unwerte sein Leben riskieren.

Für die anderen schon.

Und jetzt stelle man sich mal vor, wie der Handel die Welt verändern könnte (und die Lebensqualität aller Menschen), wenn diese Werte Grundlage jedes Wirtschaftens werden.

Da würde es nur noch Gewinner geben.

Schön, oder?

Jedenfalls besser als jetzt, wo 99 Prozent auf ganzer Front verlieren – so sehr, dass die ganze Menschheit kaum noch Zukunft sieht.

PS: auch heute gilt: eine abschließende Kontrolle der Rechtschreibung war mir aus zeitlichen Gründen nicht möglich. Wer hier mithelfen möchte – im Sinne von Vertrauen, Verantwortung, Beständigkeit, Gleichwertigkeit, Austausch und Zusammenarbeit ist herzlich eingeladen, sich zu beteiligen.

Band 1 - Die Herrscher der Welt und ihre Widersacher - Reiner Dammann



Die letzten 100 Artikel