Politik

Prostitution verbieten? Ist alternativlos.

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Dienstag, 19.11.2013. Eifel. Kürzlich erfuhr ich, dass die Wohungen aller Männer gleich aussehen.  Meine nicht – ich war verwundert. War ich etwa kein Mann? Nun – mit sieben Kindern scheine ich einen gewissen männlichen Aspekt zu besitzen. 30 Jahre durchgehend in Beziehungen zu sein, spricht wohl auch dafür. Nun – ich sei halt Philosoph wurde mir entgegnet, das würde man eben merken. Gut – mit solchen Komplimenten kann man meine ausgeprägte Staubtoleranz geschickt überspielen, ebenso meinen langsam gewachsenen Hang, eine Gruppe Weberspinnen den Aufenthalt in der Wohnung zu gestatten – sie halten die Insektenpopulation klein … auf dem Land ein wichtiges Argument. Ich schicke diese Worte meinen Überlegungen voraus, weil ich versprochen hatte, mich einem Thema zu widmen, dass mir äußerst fremd ist: der Prostitution. Dabei hatte ich schon mal Kontakt zu einer Prostituierten. Während des Zivildienstes (damals noch nur nach bestandener Gewissensprüfung möglich) war ich Wachpersonal in einem Männerwohnheim, wo ich gelegentlich käufliche Frauen aus Schränken holen musste – ich hatte ein robustes Mandat, wie man so schön sagt. Mit einer habe ich mich mal länger unterhalten – und sie dann ohne Anzeige gehen lassen, trotz Beischlafdiebstahl. Da war so viel Notlage, so wenig Sexarbeiterinnenprofessionalität – da musste man ein Auge zudrücken: das junge Mädchen wollte eigentlich nur das Geld und konnte auf den Sex mit den beiden übel riechenden Herren gut verzichten.

Ansonsten reichten mir vertrauenswürdige Schilderungen über die Qualität der „Erotik“, die einen dort erwartet, um den Bereich weiträumig zu meiden – sogar als Ärzte mir anboten, 100 teuerste Packungen eines beworbenen Medikamentes zu verordnen, wenn man mich auf einer Reeperbahnbühne sehen würde. Ich glaube – das war dann meine zweite Begegnung mit Prostitution – die eher alltägliche Form käuflichen Verhaltens. Nein – ich habe das Angebot eher unfreundlich abgelehnt … konnte es mir auch leisten, hatte sowieso schon den meisten Umsatz in Deutschland. Was dieser Arzt sonst noch so treibt – mit Menschen, die weniger gut im Sattel sitzen – will ich gar nicht genau wissen.

Nun habe ich über das Bordell Deutschland geschrieben. Prostitution wird Industrie. Wie immer, wenn Industrie im Spiel ist – Nahrungsmittelindustrie, Pflegeindustrie, Bildungsindustrie, Behandlungsindustrie – wird es dort schnell unmenschlich, gefühllos und entartet … da macht die Sexindustrie keine Ausnahme.

Natürlich bin auch ich in den neunziger Jahren auf den Legalisierungstripp hereingefallen: das Fernsehen war auf einmal voller glücklicher Prostituierter, die mit unglaublichen Zahlen um sich schmissen (2000 – 3000 Euro die Nacht) und man fragte sich: wenn diese Frauen das gerne machen: warum eigentlich nicht? Ist es nicht so, dass „Ehe“ im Prinzip ein ähnlicher Tausch – Sex gegen lebenslängliche Rundumversorgung – ist? Nun – heute vielleicht. Als bekennender Sozialromantiker hatte ich andere Vorstellungen von Beziehung und Ehe – aber was soll´s: bin ja auch geschieden … und das Geld spielte trotz Spitzeneinkommen dabei eine wichtige Rolle – es war halt immer zu wenig.

Im Prinzip ginge mich das Thema also nichts an – wenn nicht die Legalisierung dieses Berufes Nebenwirkungen hätte wie alle anderen Industrien auch: wo die Nachfrage nicht künstlich gebremst wird, wird ein Druck (oder Sog) erzeugt, der kriminelle Machenschaften blühen lässt. Diese Prosititution findet halt nicht nüchtern im luftleeren Raum statt: „Sex sells“ gilt überall – und von jungen Männern, die aus anderen Kulturen zum Studium zu uns kommen, habe ich schon den Kommentar vernommen, dass sie deutsche Frauen alle für Prostituierte halten. Man gehe mal offenen Auges durch eine Großstadt. Was einen dort alles paarungsbereit auf großen Plakatwänden, Auslagen, Fernsehmagazinen und Hochglanzbroschüren anstrahlt, ist schon überwältigend: Kopulation als Lebenssinn, als Erfüllung allen Seins.

Die Nachfrage – so halten wir fest – wird in großem Umfang mit viel Aufwand produziert. Das Männer da überhaupt noch zum arbeiten kommen, scheint unmöglich. Oder die Theorie ihres übergroßen Triebes ist einfach … falsch.

Im Rahmen der Industrialisierung von Sexarbeit kehrt sich ein ehedem vielleicht freiwilliges Arbeitsverhältnis um. Zahle ich 175 Euro die Nacht für ein Zimmer (5250 Euro im Monat), dann muss ich das erwirtschaften. Da muss man als Frau schon eine halbe Hundertschaft über sich ergehen lassen – und hat noch keinen Euro Gewinn. Andererseits …. ist die Verlockung natürlich groß, diese Zimmer – wenn erst mal vorhanden – mit hilflosen Menschen aus aller Welt zu füllen. Ist erstmal ein Kostendruck da, fallen schnell alle Hemmungen.

Prostitution verbieten – schon jetzt kann man sagen: na klar. Doch da kam in einer Facebook-Diskussion gleich eine Frage auf:

Und was machen hässliche, alte Männer, die niemand zum Sex will? Sollen die ohne die Möglichkeit des käuflich Sexs vergewaltigen?? Frage n La M.

Tja – wenn Männer wirklich so drauf sind (ich bin es eher nicht, kann das also nicht beurteilen) dann muss man diese unberechenbaren Gestalten als zivile Gesellschaft zum Schutz der Schwächeren (Kinder zum Beispiel) einfach einsperren: man weiß ja nie, wie die gerade drauf sind. Eventuell brauchen die auch zwecks Ausgang eine Begattungsbescheinigung, die belegt, dass von ihnen die  nächsten 8 Stunden keine Gefahr ausgeht?

Gerne hätte ich auch eine Gegenfrage. Was ist den mit den ganzen hässlichen alten Schwulen, die keinen Mann abkriegen? Sollten da nicht alle Männer mal mithelfen, dass die nicht so unbegattet in der Landschaft herumstehen? Ich kenne alternde Schwule – die haben echte Not, weil sie aus dem Attraktivitätsrahmen ihrer Spielkameraden herausgefallen sind. Gedenke ich der ausgeprägten Homophobie des deutschen Mannes, kommen mir gleich unzählige ulkige Situationen in den Sinn – doch lassen wir das, wir sind nicht zum Spaß hier.

Ein weiteres Zitat?

Ohne spießige, langweilige, unerotische Ehen kein Prostitutionsbedarf..frag die Nutten..die wissen´s!

Ja – das ist der Anspruch, der sich inzwischen in Deutschland erhebt: gebärden sich die Frauen nicht wie Nutten, sind sie selbst Schuld, wenn ihre Männer ins Bordell gehen. Nutten als Normstandard.

Was diese Aussagen gemein haben: das absolute Recht des Mannes auf Sex – und die nicht hinterfragbare Pflicht der Frau, diesen zu liefern, gern auch ganz unkompliziert und gegen Geld. Da blickt man auch über die Zwangsprostituion gerne hinweg.

Man darf sich gerne mal das Buch von Mandy Koop anschauen, wie glücklich Kinder durch Zwangsprostitution werden. Die können ihr Leben lang kaum eine normale Beziehung mehr führen. Wieviel Geld ist so eine zerstörte Seele wert? Auch stolze, selbstbewußte, freie Prostituierte berichten über solche Probleme (siehe: Mein Job ist Sex, ZDF-Produktion aus dem Jahre 2012).

Und was ist mit dem Heroenbild der freien, selbstbestimmten Sexarbeiterin? Nun – eine Erfindung der Medien. Hören wir dazu die Stimme der Wissenschaft, zitiert bei Cicero im Jahre 2013, die sich dieses Themas umfangreich angenommen haben:

Ähnlich dünn sieht es bei der Medienforschung aus. „Unzureichend“, befand Tina Knaut, die für ihre Diplomarbeit zur Berichterstattung über Sexualität 87 wissenschaftliche Werke zwischen 1985 und 2010 durchforstete. Ihre Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass die Verharmlosung der Prostitution schon in den 90er Jahren einsetzte.

Knaut kommt am Ende ihrer Arbeit zu der ernüchternden Erkenntnis: „Es überwiegt eine patriarchale Sichtweise, die Sex lediglich als risikofreien Spaß versteht. Eine ernsthafte Berichterstattung mit einer politischen Komponente findet kaum statt.“

2007 berichtete der Spiegel über die Erfahrungen, die man in Schweden mit dem Thema gemacht hat:

Jetzt ist auch die Krankenschwester im Prinzip für das Sex-Kaufverbot. Für sie gehört Prostitution abgeschafft. „Es stimmt: Glückliche Huren gibt es nicht. Die meisten, die ich im Laufe der Jahre hier kennengelernt habe, wurden schon in ihrer Jugend durch Verwandte sexuell missbraucht und haben große psychische Probleme“, sagt sie. „Da ist wenig Freiwilligkeit.“ Wer länger dabei ist, nehme Drogen oder Beruhigungsmittel. „Das ist kein normaler Beruf. Ich wünsche allen, dass sie da wieder rauskommen.“

Nun – nach dem letzten Artikel haben sich hier auch Eskortdamen gemeldet, die uns (oder mich) davon überzeugen wollten, dass das doch alles gar nicht so schlimm sein. Liebe Damen: ich zweifle nicht an der Tatsache, dass es Frauen gibt, die sich gerne verkaufen. Es gibt auch Frauen, die sich gerne schlagen lassen, sich gerne mit Urin übergießen lassen (man nennt dies vornehm „Natursekt“, gehört in einem Nachtclub zu den handelsüblichen Dienstleistungen, die man als Frau gelegentlich – neben anderen, ebenso unappetitlichen Verrichtungen – gegen Geld über sich ergehen lassen muss). Es gibt auch Männer, die lassen sich gerne aufessen. Andere bringen gerne Leute um, wälzen sich in Kot oder foltern kleine Kinder – all´ solche Gestalten tauchen vor meinem inneren Auge auf, wenn ich an „Einzelfälle“ denke. Die Aufgabe der Philosophie ist aber nicht die Frage, ob Menschen seltsame Hobbys haben dürfen, sondern ob man das als gesellschaftlichen Normzustand akzeptieren sollte … oder eben nicht.

Was für mich hier eher zählt als der Einzelfall sind die Studien – vor allem die über die seelischen Folgen, siehe Wikipedia:

Prostituierte und Stricher sind nach einer kanadischen Studie eine Hochrisikogruppe für psychische Störungen. Häufig findet man bei ihnen erhebliche Störungen. Viele Prostituierte leiden an psychischen Traumata, die in ihrer Vergangenheit und durch ihre Tätigkeit bedingt sind. In der Studie kam sexueller Missbrauch von Kindern bei 26–73 % vor. An körperlicher Kindesmisshandlung litt etwa die Hälfte der untersuchten Prostituierten. Auch sonstige potentiell Trauma auslösende Situationen sind häufiger bei Prostituierten zu finden als bei anderen Menschen.

In Hamburg wurde bei 98 % der untersuchten Prostituierten mindestens ein traumatisches Ereignis in der Vergangenheit festgestellt. Bei 83 % fand sich bereits ein Trauma in der Kindheit (familiäre Gewalt 70 %, körperliche Misshandlung 65 %, sexueller Missbrauch 48 %). Während der Prostitution erfahrene Traumata fanden sich ebenfalls bei 83 % (körperlicher Angriff 61 %, Vergewaltigung 61 %, Bedrohung mit einer Waffe 52 %). 53 % erreichten einen Krankheitswert im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung. Missbrauch und Abhängigkeit von illegalen Drogen fanden sich bei 74 %. Internationale Vergleichsstudien ergaben ähnliche Befunde.

Prostitution macht krank – oder: nur Kranke lassen sich für Natursektduschen bezahlen.

Das geht übrigens noch weiter. Aus der Pornofilmindustrie weiß ich, dass die Verwertbarkeit der Damen im Alter nachlässt. Wo landen sie dann? Bei Sex mit Tieren. Ja – es gibt einen nie ausgesprochenen aber unter Männern ewig gültigen Satz, dass Frauen eben so sind: kriegen die keinen Kerl mehr ab, nehmen die auch einen Esel. Hat man ja oft genug im Film gesehen.

Nun werden wahrscheinlich 40 Millionen Freier und 400 000 Dienerinnen des Eros vor meiner Tür demonstrieren, um mich davon zu überzeugen, dass mein Urteil zu diesem Thema falsch ist. Es gibt vielleicht auch die eine, glückliche Prostituierte. Viele davon traten ja im Fernsehen auf – aber welchen Wert haben Aussagen, die gewünscht sind und gegen Bezahlung gemacht werden? Wie ernst darf ich die Aussagen von Frauen nehmen, die sich sogar für Sex bezahlen lassen?

Nun – eher interessiert mich, welche Absicht die Medien mit ihrer Dauerkampagne haben – das ist die viel brisantere Frage, der wir heute aber nicht nachgehen wollen. Ein Ergebnis ist klar: Deutschland ist Billig-Bordell geworden, aus den Traumhonoraren von 3000 Euro sind – für den edlen Escortservice – 300 Euro geworden … für die Firma, die diese Dientsleistung organisiert. Für die Dame vor Ort bleibt weniger übrig (Angaben eines Escortservices in Aachen).

Heute geht es nur im Prostitution – und die gehört leider wegen Risiken und Nebenwirkungen strikt verboten. Ich weiß – das ist schade, weil käuflicher Sex für viele das Höchste der Genüsse ist. Es geht aber nicht anders.

Ich weiß auch, dass es Menschen gibt, die das gerne machen. Andere ritzen sich gerne mit spitzen Dingen – und wir halten sie auch davon ab.

Die offensten und bekennensten Sexarbeiterinnen haben mich davon überzeugt. Warum? Quer durch alle Interviews wollen sie gewisse Intimitäten für sich behalten: der Kuss auf den Mund wird oft genannt. Wieso eigentlich? Wenn das alles so harmlos ist … warum ist das so wichtig?

Ganz einfach: weil es eben nicht harmlos ist. Es wird nur mit großem Aufwand als harmlos dargestellt.

Das man Menschen findet, die für Geld vor laufender Kamera von ihrem großen Glück als Hure reden, bezweifle ich nicht. Das manche das auch ernst meinem, ebenfalls nicht – immerhin weiß ich, dass ich in einem Land lebe, in dem Angela Merkel als Superstar gilt – das erklärt vieles. Das Urteil über Prostution ändert das nicht: sie gehört streng verboten – und die Freier zu bestrafen, scheint mir die eleganteste Lösung zu sein. Sie zu verbieten, dürfte auch im Interesse der Prostituierten liegen: ihre Freigabe hat nur die Preise versaut.

Und man komme mir jetzt nicht mit dem Satz, dass es Prostitution schon immer und ewig gab. Erstmal gilt das auch für Sklaverei – obwohl es Menschen gibt, die sich gerne versklaven lassen, verbieten wir sie … jedenfalls offiziell.

Und Indiander kannten sie so gut wir gar nicht – bis Kolumbus kam.

 

 

 



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