Der Rest

„Deutschland – Land der Überwachung, Spitzel und der Denunzianten?“

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„Bocca di Leone“ – ein steinernes Löwenmaul – das war im alten Venedig so eine Art Beschwerdebriefkasten an vielen Häusern und Kirchen der Stadt. Hier konnte jedermann eine Anzeige gegen unliebsame Mitbürger einwerfen. Heute findet man solche Beschwerdebriefkasten natürlich nicht mehr, das System Denunziation hat sich den technischen Fortschritt angepasst, den modernen Kommunikationsmittel sei Dank.

Aber bereits in der Schule ist die „Kultur“ des Hinhängens und Verrats vorzufinden.

Beispiel: „Monika schreibt ab, sehen sie mal hin, Herr Lehrer. Das kommt täglich vor.“

Aber auch eine andere, zu hinterfragende Informationbeschaffung in unseren Bildungseinrichtungen scheint immer mehr zur „Normalität“ zu werden, nämlich dann, wenn Hausaufgaben aufgegeben werden, welche in den persönlichen Bereich der Familie eingreifen. Da sollen Schüler „Auskunft“ geben, welchen Beruf die Eltern ausüben, ob man einen Fernseher im Kinderzimmer hat, wie oft man gemeinsam und was mit den Eltern unternimmt, wie lange man im Internet zu Gange ist und so weiter.

Beliebt sind die Denunzianten bei „staatlichen Stellen“ als Mittel staatlicher und sozialer Kontrolle.

„Der Nachbar hat verbotenerweise einen Baum abgesägt, der Ex-Mann bei den Steuern gemogelt, die Hartz-IV-Empfängerin fährt ein dickes Auto, die alleinstehende Mutter mit Hartz IV hat einen Freund, den sie vielleicht den Behörden nicht gemeldet hat, Anlässe gibt es genug, jemanden bei der Obrigkeit anzuschwärzen, denn Denunziation gibt es immer und überall.“ Wenn mir Menschen von einer  Denunziation  berichten, was sie erlebt haben und welche Folgen es für sie hatte, dann frage ich mich immer, in welchem Lande leben wir eigentlich?

Einer denunziert den Anderen? Denunziation ist in Deutschland gang und gebe, jeden Tag. Jeder kann einen Verdacht, oder eine Vermutung gegenüber einen Menschen äußern oder eine unliebsamen Meinungen welche sie Aussprechen melden, zum Zweck ihn fertig zu machen. Und in der Mehrzahl bleiben unwahre Denunziationen der Lumpen, von Strafverfolgung verschont. 

Erst kürzlich habe ich das verfolgen können, unter Einsichtnahme entsprechender Unterlagen.

Da wird eine junge Familie vom Jugendamt vorgeladen, weil ein „anonymer Hinweis“ eingegangen ist, mit der Behauptung, dass eine mögliche Kindsgefährdung vorliegen würde. Nun hat die Untersuchung der Behörde ergeben, dass diese Vorwürfe völlig haltlos waren. Die Wohnung wurde besichtigt, Kindergarten und Kinderarzt wurden befragt. Die Familie wurde bis hin auf ihre finanziellen Einkommensverhältnisse überprüft, mit einen positiven Ergebnis für die Familie. Wenn man bedenkt, dass diese Überprüfungen über Wochen hin weg andauerten, dann kann man sich vorstellen, welchen Druck diese Familie ausgesetzt war. Später hat sich herausgestellt, dass der „Denunziant“ namentlich der Behörde bekannt war, dieser aber nicht der Familie bekannt gegeben wird, „Datenschutz“ halt. So einfach ist das. Fakt ist das die Denunziation, ein Mittel der sozialen Kontrolle geworden ist, auch wenn wie die Beweggründe (in diesen Fall)  eine Verleumdung, Rachsucht, gewesen sein dürfte. Der Denunziant wird von staatlichen Stellen geschützt, obwohl hier ein Straftatbestand erfüllt ist.  

Oder stellen sie sich vor, sie sind Rentner und leben von Grundsicherung und erhalten einen Brief ihrer Bank oder Sparkasse und Ihnen wird mitgeteilt dass eine „routinemäßige Kontrolle“ ihres Kontos stattgefunden hat. Warum, die Hintergründe und wer dies veranlasst hat, auf welcher Rechtsgrundlage, wird ihnen nicht mitgeteilt. Und wenn sie jetzt glauben, dass sie auf eine entsprechende Anfrage eine Antwort bekommen, kann ich sie beruhigen, natürlich nicht, vielleicht liegt es am Datenschutz eines Denunzianten oder an dem Recht der Finanzämter heimlich ihre Kontodaten überprüfen zu dürfen, wer weiß das schon.

Die Inanspruchnahme von Denunzianten und Bespitzelungen von Menschen, durch staatliche Stellen als Mittel der sozialen Kontrolle, mit der Möglichkeit, Sanktionen gegen Betroffenen zu erwirken ist täglich festzustellen, mit der Folge der Ausgrenzung Einzelner. Besonders ist das nach Einführung und Umsetzung der Agenda 2010 festzustellen. Man erinnere sich nur an die bekannt gewordenen Sachverhalte, wo Leistungsempfänger, in Auftrag von Behörden überwacht worden sind und das über Wochen und rund um die Uhr. Zwar haben die Behörden mitteilen lassen, dass diese Praxis nicht, oder nicht mehr, durchgeführt werden. Wer glaubt schon an den Weihnachtsmann!

Auch das Gerücht, Leistungsempfänger würden über soziale Netzwerke bespitzelt und überwacht, werden heftig durch Behörden dementiert, kann man glauben, muss man aber nicht. Im Zweifel findet sich eben der Denunziant, auf dessen Vermutungen  die „staatlichen Stellen zurückgreifen können. Die „Denunziation“ wird auch in modernen Kommunikationsmitteln ganz gezielt zur „staatlichen Informationsbeschaffung“ genutzt, da können sie sich sicher sein. Und wer will einem Behördenmitarbeiter nach Dienst denn verbieten, sich in den sozialen Netzwerken zu informieren. Kontrollieren kann man das nicht und außerdem hat ein Behördenmitarbeiter ein Recht auf den Datenschutz im privaten Bereich. Bei Leistungsbeziehern ist das nicht so, die leben ja auf Kosten der Steuerzahler und da hört der Datenschutz und der Rechtsstaat auf, oder?

Sicher ist jedoch die Tatsache, dass staatliche Behörden ihre Informationbeschaffung ganz offen gegenüber den Benachteiligten der Gesellschaft betreiben. Das zeigt sich am Beispiel, Hartz IV Leistungsempfänger, bei mehrfachen Krankmeldungen durch den medizinischen Dienst, Zwangsuntersuchen zu lassen. Oder der Zwang seine Vermögensverhältnisse und Familienverhältnisse offen zu legen, aber vor allem zu belegen, wird heute in der Gesellschaft als notwendig angesehen.

Wie weit ist dieser Reststaat heruntergekommen, frage ich mich immer.

In der DDR brauchte man den  Denunzianten, Spitzel und Verräter um den Arbeiter und Bauernstaat gegen den Kapitalismus zu schützen.In der BRD braucht man den Denunzianten, Spitzel und Verräter um die Demokratie und den Rechtsstaat zu schützen, oder um es mit den Worten des Bundespräsidenten Gauck zu sagen: „Demokratie muss wehrhaft sein und darf sich das Gewaltmonopol nicht aus der Hand nehmen lassen“, der Mann muss es ja wissen.

„Der größte Lump im ganzen Land ist immer noch der Denunziant“. Dieses Zitat von Hoffmann von Fallersleben gilt bis heute und ist täglich  zu erleben.

PS: Ich hör jetzt auf, denn ich muss mal gucken, was mein Nachbar so treibt.



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