Es sind denkwürdige, spannende Zeiten, in denen wir leben. Ein neuer, großer Krieg deutet sich an – die USA umschließen China, die Chinesen stellen hinsichtlich Pakistan ein Ultimatum, das die USA aber nicht einhalten, Tokio müsste eigentlich wegen zu hoher Radioaktivität evakuiert werden infolge von Naturkatastrophen, die von Jahr zu Jahr desaströser werden. Gleichzeitig fliegt uns unsere Wirtschaft um die Ohren – nicht als Unfall, wohlgemerkt, sondern als asozialer Akt einer Bande skrupelloser Finanzjongleure, die im Prinzip nichts anderes machen als Menschen beim Sozialamt …. wenn auch in ganz anderen Dimensionen: sie rechnen sich ihre Ansprüche schön, die sie – angeblich – aufgrund ihrer Spekulationen haben und verlangen, das wir diese Ansprüche umgehend in echte Werte umsetzen.
Blöd wie wir sind, tun wir das auch, wundern uns aber, das auf einmal kein Geld mehr da ist. Und in diesen Zeiten besucht der Papst Deutschland.
Ich hätte gedacht: das ist ein Ereignis, das man einfach mal so übergehen kann, ein Nebensatz sollte reichen, dem Tatbestand gerecht zu werden, wenn er überhaupt erwähnenswert ist. Es ist nett und freundlich von uns, einen Papst im Bundestag reden zu lassen – Gorbatschow, Putin und Bush waren ja auch schon da. Gut – er ist Häuptling eines kleinen Landes, aber: umso nobler ist die Geste. Aber politisch gesehen … ist das doch wohl völlig uninteressant.
Dann jedoch nahm ich mehr und mehr am Rande die Kritik am Papstbesuch in Deutschland wahr, mehr und mehr sah man wieder, das sich die deutsche Blödheit nicht auf das Thema Wirtschaft beschränkt, das es in der Tat Menschen gibt, die das Heil der Menschheit in der Vernichtung der katholischen Kirche sehen.
Natürlich stoßen wir hier an Grenzen, die historisch bedingt sind – und an Mythen, die anzutasten uns nicht gestattet ist. Im Kampf der freien Gesellschaft gegen den Feudalismus hat die Kirche personell oft auf der falschen Seite gestanden, was kein Wunder ist: personell gesehen war der Adel bei ihnen immer gut vertreten, sie war sozusagen oft der linke Arm der Unterdrückung – vor vielen hundert Jahren. Der erste Sohn des Grafen wurde sein Nachfolger, der zweite ging in die Kirche, der dritte zum Militär: so war die Rollenaufteilung, die dem Adel die Macht über das Volk garantierte.
Gleichzeitig aber – und das hören wir nicht so gerne, weil es dann wieder kompliziert wird – hat die Kirche selbst während der parasitären Besetzung durch den Adel weiterhin die Botschaft das Humanismus getragen … und zwar eines Humanismus, der sehr ernst ist, ein Humanismus, der keine Grenzen kennt, auch Arme, Alte, Kranke und Behinderte einschließt, Ausländer und Zigeuner ebenso. Diese Kirchenleute bringen halt seit zweitausend Jahren kontinuierlich „Sozialromantiker“ hervor – schon das ist ein Grund, sie im Berliner Bundestag nicht mehr willkommen zu heißen, denn Sozialromantiker wollen wir nicht mehr haben.
Nun ist die Geschichte der Kirche selber voll von Beispielen, das sie ihren Ansprüchen nicht genügt – jedes Schulkind kennt sie heute (und niemand fragt sich, warum das eigentlich so ist). Das ist aber ein Maßstab, den ich gar nicht anlegen würde, weil aus Menschen keine Engel werden, bloß weil sie katholisch geworden sind.
Sie bleiben Mörder, Zuhälter, Vergewaltiger, Räuber, Folterer, Unterdrücker, Betrüger – kurz: Arschlöcher (wenn ich mal so drastisch werden darf). Aber – sie haben beständig die Mahnung im Ohr, das dies nicht in Ordnung ist und eine Chance, sich zu ändern. Es gibt auch eine leise Drohung hinter dieser Mahnung – eine Drohung, die aber den meisten Religionen immanent ist: im Jenseits gibt es kein Arschlochabteil – außer vielleicht der Hölle, die es nicht nur bei Katholiken gibt – und selbst dort ist sie theologisch betrachtet nicht existent, sondern nur ein im Laufe der Jahre gewachsener Mythos, während die Feuerhöllen des Buddhismus dort ganz andere Qualitäten aufweisen. Vielleicht wird uns ja der Dalai Lama darüber aufklären, den die Grünen jetzt aus Rache am Papstbesuch in den Bundestag einladen wollen.
Nun ist die Höllengeschichte sicherlich Glaubenssache. Für die Philosophie jedoch ist ALLES Glaubenssache, dort ist man sich der fürchterlichen Relativität der Kultur der Vernunft bewußt. Nationalsozialismus zum Beispiel – war absolut vernünftig. Wenn der Jude an sich böse ist – dann ist es vernünftig, so mit ihm zu verfahren, wie geschehen. Und die Freiheit, den Juden als „an sich böse“ darzustellen, gibt mir ebenfalls – die Vernunft. Weil das so schrecklich schief gegangen ist, weil wir ganz vernünftig, sachlich, nüchtern und ruhig die Hölle auf Erden installiert hatten, haben wir die allgemeinen Menschenrechte etabliert: als festes, niemals mehr zu hinterfragendes Dogma.
Angesichts des offensichtlichen Scheiterns der vernünftigen, wissenschaftlich ausgerichteten Gesellschaft haben wir unser eigenen Dogmen errichtet, die durch nichts zu belegen oder beweisen sind – wir sind in diesen Momenten ziemlich katholisch geworden.
Daran hat uns der Papst in seiner Rede im Bundestag erinnert, eine Rede, die mich zuvor nicht interessiert hat, die mir aber Angst machte, als ich sie las.
Warum?
Nun … weil ich Texte immer im Umfeld beurteile. Ich bin ein Freund der Kunst der Hermeutik – und beurteile Menschen ihrem Umfeld gemäß.
Im Umfeld eines Christen spielt „das Böse“ eine zentrale Rolle. Man kann das Christentum eigentlich nur aus der Realität des „Bösen“ heraus verstehen, so wie man Christus nur verstehen kann aus der Realität der Wunder – alle anderen Verdrehungen der Moderne zugunsten des Zeitgeistes führen nur dazu, das man eigentlich überhaupt nicht versteht, was und warum dort gesellschaftliche Realität gewachsen ist.
Ein langhaariger Hippie mit Sandalen an den schmutzigen Füssen sondert colle Sprüche ab? Das soll die Menschen vor zweitausend Jahren beeindruckt haben? Oder die Geschichte eines Menschen, der wider die „Mächte der Welt“ aufstand, über Wasser laufend seine Macht über Krankheit und Tod bewies um den Menschen zu verkünden, das sie sich bitte nicht wie Arschlöcher benehmen sollen, weil das Universum nicht gut auf Anlageberater, Imperatoren oder Priester zu sprechen ist?
Wir merken: der Papst kommt schnell selber ins Feld der Kritik – und das dürfte ihm auch bewusst sein, denn er nimmt die Geschichte ja ernst. Er weiß auch, das die Geschichte mit seiner Unfehlbarkeit ein Marketingtrick der Kirche war, mit der sich die Christen vor den durch die Freimaurer entfesselten Gewalten schützen und den Zusammenhalt ihrer Gemeinschaft wahren wollten – oder, um es drastisch zu formulieren: die Gemeinschaft der Christen (und letztlich die ganze Menschheit) vor dem Antichrist zu schützen, der am Ende aller Tage mit großer Macht auftritt.
Das ist nun der Hintergrund, vor dem ich die Rede des Papstes sehe – und schon bekommen seine Worte (hier im Spiegel gedruckt) eine ganz andere Qualität:
Die Bibel will uns mit dieser Erzählung sagen, worauf es für einen Politiker letztlich ankommen muss. Sein letzter Maßstab und der Grund für seine Arbeit als Politiker darf nicht der Erfolg und schon gar nicht materieller Gewinn sein. Die Politik muss Mühen um Gerechtigkeit sein und so die Grundvoraussetzung für Friede schaffen.
Natürlich wird ein Politiker den Erfolg suchen, der ihm überhaupt die Möglichkeit politischer Gestaltung eröffnet. Aber der Erfolg ist dem Maßstab der Gerechtigkeit, dem Willen zum Recht und dem Verstehen für das Recht untergeordnet. Erfolg kann auch Verführung sein und kann so den Weg auftun für die Verfälschung des Rechts, für die Zerstörung der Gerechtigkeit. „Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande“, hat der heilige Augustinus einmal gesagt.
„Politik muss Mühen um Gerechtigkeit sein“ … doch was macht Politik?
„Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen„: das ist die moralische Realität im Deutschen Bundestag – und die offene Kampferklärung an die sozialen Dimensionen der allgemeinen Menschenrechte.
Dem Recht zu dienen und der Herrschaft des Unrechts zu wehren ist und bleibt die grundlegende Aufgabe des Politikers. In einer historischen Stunde, in der dem Menschen Macht zugefallen ist, die bisher nicht vorstellbar war, wird diese Aufgabe besonders dringlich. Der Mensch kann die Welt zerstören. Er kann sich selbst manipulieren. Er kann sozusagen Menschen machen und Menschen vom Menschsein ausschließen.
Wenn nun der Papst eine „historische Stunde“ sieht, in der es der „Herrschaft des Unrechts“ zu wehren gilt – mit deutlichen Bezügen auf die Greuel des Dritten Reiches – dann scheint es schlimm zu stehen um die Realitäten im Deutschen Bundestag.
In diesen Zeiten an die Grundsätze von Recht im deutschen Bundestag zu appellieren, würde keinen Sinn machen, ginge man davon aus, das das Recht dort einen festen Sitz hat – eher versucht man Menschen auf diese Weise ins Gewissen zu reden, die ihren Kurs völlig aus den Augen verloren haben. Es gibt kein Lob für den deutschen Bundestag als Hort von Gerechtigkeit, als Versammlung edler Streiter für Frieden, Wohlstand und Glück der Menschen, sondern eine Warnung davor, das der Staat sich schnell in eine große Räuberbande verwandeln kann.
Das soll der einfach so dahergesagt haben?
Vor seinem Hintergrund sehe ich das als klare Warnung vor der widernatürlichen Herrschaft des Antichristen, als letzten Versuch, die Notbremse zu ziehen, bevor die Herrschaft des Unrechts wieder bis in die letzten Winkel des Landes und ganz Europas vordringt, als Warnung vor einer kommenden Bestialität des Menschen, die wieder ganz leise beginnt – mit wie üblich sehr vernünftigen Argumenten. Letztlich aber ist klar, wohin der Zug fährt.
Menschen werden vom Menschsein ausgeschlossen … wenn sie nicht genügen.
Schon mal von Hartz IV gehört? Keine Bange – wie üblich ist das erst der Anfang.
Jacob Augstein weist im Spiegel auf die nächsten Schritte hin, die uns in ein neues (nationalsozialistisches) Paradies führen werden:
Wir brauchen den Papst zum Beispiel, weil das deutsche Forschungsministerium mit öffentlichem Geld die Entwicklung eines Tests fördert, der ohne jedes Risiko für die Mutter feststellt, ob ihr Baby das sogenannte Down Syndrom aufweist. Dieser Test hat nur einen Zweck: Selektion.
Ich kann mich da dem Herrn Augstein im Weiteren nur anschließen: Kritik am Papst wird da wirklich pubertär. Auch wenn es unbequem ist, weil sich niemand mit geistig behinderten Menschen herumärgern will: das Prinzip der Selektion endet – wenn es erstmal installiert ist – immer in Auschwitz.
Wenn der Papst im Deutschen Bundestag solche Worte spricht, dann werde ich sehr hellhörig, weiß ich doch, das er einer der bestinformiertesten Menschen der Welt ist: kaum jemand hat so viele Millionen Zuträger wie er.
Und das unser Staat schon längst eine große Räuberbande geworden ist, merken wir doch fast jeden Tag – wenn wir in den Wirtschaftsteil der Zeitungen oder auf unser Konto schauen. Was das für die Herrschaft des Rechtes bedeutet, hat der Papst gerade mal ganz deutlich der versammelten Räuberbande gesagt. Schade das die Linken das nicht hören wollten – es bestätigt den Verdacht, das die nur so lange „links“ sind, bis sie endlich auch einen Anteil an der Beute bekommen.
Wer nun schreit: „Aber die Kirche hat doch auch Fehler gemacht“ bekommt eine gute Note in sonstiger Mitarbeit, hat aber nicht verstanden, das es gerade mal wieder darum geht, die Öfen für die Massenvernichtung zu installieren: wo sollen wir auch mit den Massen der Armen hin, die beim shoppen stören, weil sie hungernd und verfaulend auf der Straße herumliegen?
Und hungern werden sie – einfach nochmal die Ansprüche der Herren des Geldes durchrechnen, dann weiß man: die haben jetzt schon mehr Ansprüche als die Welt Güter hat.
Den Rest regelt dann wieder die Vernunft.